Manic Monday pt. 28: gefühlt endlich Sommerferien!

von Kersty 

Wenn wir noch immer alles sind, was wir mal warn, dann fangen heute die großen Ferien an.

Wahrscheinlich ist es wahr, was sie sagen und man bleibt immer das Kind, das man mal war. An einem 24. Juli auf jeden Fall, und vor allem dann, wenn Menschen wie Bäume sind. („Für jede Lebensphase einen Ring viele verschieden luzide Kerstins,” um mich mal selbst zu zitieren, aus einem der Songs, den wir gerade aufnehmen.)

Wenn wir also alles immer noch sind, was wir mal warn, dann fangen heute die großen Sommer- Ferien an. Ich fühle es an jedem 24 Juli. Diese Größte aller großen Freiheiten, Lebenserleichterungen: endlich Sommerferien. Juhu! Und mit der Trap-Rapperin Elif im Ohr, 14. 0000 Schritte durch Mitte laufen ja, ein paar Runden durch die Stadt drehen, Schön & Broke und Mich & Dich sehn.

“Kids vom Block sitzen wieder auf’m Bordstein.

Dreizehn Jahre alt und rauchen wie ein Schornstein.

Die Stadt, die niemals schläft, jeder unter Leistungsdruck.

Das Patch am Arm ist fast kaputt, so wie mein Reißverschluss.”

Und so weiter: „Frag mich nich was wäre wenn, weil ich das auch gerne wüsste.“  Aber jetzt weiß ich es: Kein Zwang mehr, kein einziger, kein einzelner. Und vielleicht waren es gar nicht die Eltern die einem das Leben zur Hölle gemacht haben, vielleicht war es ja doch nur die Schule. Auf jeden Fall: beides zusammen, geht nicht, Eltern und Schule zusammen, eine Katastrophe. Wenn man wenigstens immer frei gehabt hätte, um mit der Familiendynamik klarzukommen. Dann hätte man sein Herz ja schützen können, aber wenn man währenddessen Erdkunde lernen muss, Flüsse in Asien, Schule: vergiss  es.

Wenn man sich überlegt, was den Kids heutzutage alles so zugemutet wird, (mein Computer schreibt „weird“ statt „wird“; und genau das ist es: „weird“), dann möchte man ganz laut rufen: euch ist aber schon klar, dass die Kinder auch noch eine Elterndynamik haben, durch die sie durchsteigen müssen? Vielleicht müssen sich Kinder ja auch andersherum, in der Schule von den Eltern erholen. „Keiner macht es uns leicht einfach nur frei zu sein“, – nein, der Satz ist nicht von Rammstein, das ist mit Kathleen Hanna gesprochen. Oder mit Maike Rosa Vogel: „Die Welt wird komplizierter, aber alles, was stimmt bleibt leicht.“

„Die Rock `n Roll Sänger machen weiter“ zitiert Ambros Waibel in seinem aktuellen Rammstein-Artikel in der taz den Dichter Rolf Dieter Brinkmann, als das noch gewünscht war, dass die Rock`n Roll-Sänger weitermachen. Am Wochenende habe ich dann zu einem  taz-Redakteur in der Schlange vor dem Schokoladen-Hoffest gesagt, man müsste mal einen Artikel über Rammstein schreiben, in dem noch ganz andere Sachen drinstehen, alles nochmal tiefer und weiter gedacht – die Rock`n Roll-Sängerinnen machen weiter, eben – ein paar Stunden später habe ich dann auf taz.de genau den Artikel gefunden, den ich so ungefähr gemeint hatte. Vortext: “Mit ihrer emotionalen Verwahrlosung stehen Rammstein-Fans keineswegs allein. Sie repräsentieren eine Minderheit, die immer weitermarschieren will.”

Rammstein-Fans im Zeitgeist: Die Verwahrlosten – taz.de

Einer, in dem gesagt wird: “Ganz unironisch kalt und höhnisch wie SS-Männer treten sie jetzt auf, sich verkniffen-feige zu Opfern stilisierend.” Und natürlich dass einem auch diese Rammstein Fans Angst machen können, die nicht einfach mal wegbleiben von den Konzerten. Wie das jetzt alles doch noch Faschismus wurde, mit diesen Fans und in diesem AFD-mitgeprägten Klima. Und im Gegensatz dazu: die Idee der Lebensfreude, die sich durch den Artikel zieht:

“Alle betroffenen Frauen, die sich in der Causa Rammstein zu Wort gemeldet haben, den Schrecken noch einmal durchlebend und Scham überwindend, sind Heldinnen der Mehrheit, die leben und die Idee des guten Lebens weitergeben will. Wir müssen attraktiv, mutig und offen sein, obwohl der Blick in die Welt dazu wenig Anlass gibt. Wir müssen der ­Versuchung widerstehen, die Dinge einfach laufenzulassen und sich mit einem großen Bäng als Gattung Mensch zu verabschieden, obwohl das manchmal so verlockend erscheint.”

Aber, stopp, ich muss nicht weiter referieren,  ab heute sind doch Sommerferien. Wäre geil, wenn der Faschismus auch in Urlaub…  Aber zu sich selbst darf man das ruhig auch sagen – lass mal los mit der dummen Scheiße, auch wenn s die Welt nicht besser macht. Nur das eigene Leben, das eigene Leuchten. Wenn da noch irgendwer, irgendwas, ein Partikelchen deiner Selbst ist, der /das / dich unterdrückt, in deinem näheren Umfeld,  dann lass es doch einfach hinter dir.  Du musst nicht ewig die Dynamik deiner Eltern in dir aushalten.

Und das wäre dann – ich Streberin! Oh, die Maeve Reilly in mir –  mehr als einfach nur Ferien. Das wäre innere Freiheit und vielleicht kommt noch die äußere hinzu: wir könnten so viel Spaß haben, uns gegenseitig so begehren, die äußere und die innere Freiheit, auch wenn das alles unfassbar einfache, dichotomische Begrifflichkeiten sind, “a force from above, power and love, yours Doctorella.”

“Mein Gesicht spiegelt sich in einer Pfütze.

Benzingeschmack und Beton, keine Küste

Berliner Luft riecht ein bisschen nach Vermissen

Frag mich nicht, was wäre, wenn, weil ich das auch gerne wüsste.”

Wahrscheinlich bleibt man immer das Kind, das man mal war. An einem 24. Juli auf jeden Fall. Wenn Menschen wie Bäume sind und für jede Lebensphase einen Ring tragen, wenn wir alles, was wir je waren, immer noch in uns tragen, dann fangen heute die großen Ferien an. Und es ist der Tag mit dem tollen Wetter, es ist noch immer nicht November, aber warm wie unter einer Bomberjacke. Die Trap-Rapperinnen erfinden die Songs aller Städte weiter und alle kleinen Mädchen werden durch sie zum goldenen Reiter:

“Ich lauf alleine durch die Stadt in der Bomberjacke

Es ist November, doch nicht kalt in der Bomberjacke

Von innen rot und außen schwarz, diese Bomberjacke

Sie ist zu groß, aber sie passt, diese Bomberjacke.

 

Und jetzt featuring Kersty 

“Sie ist nicht schön von außen, weil sie nicht schön von innen ist.

Sie lässt dich nie verschnaufen, denn du bist ihr Schein, Scheinwerferlicht!

Sie ist nicht schön von außen, weil sie nicht schön von innen ist.

Und sie erzählt dir laufend, was du doch für´n  Kleinkind bist!

Sie ist nicht schön von außen, weil sie nicht schön von innen ist.

Sie lässt dich niemals laufen, denn du bist ihr Gewinner-Ich!

Sie ist so danger, danger us, dass du es nicht für möglich hälst,

Schubst dich und fängt dich wieder auf, bis du  dann von selber fällst.

Von innen tot und außen schwarz, diese Bomberjacke,

Sie ist zu groß, aber sie passt, diese Bomberkacke.”

 

Und gebe wieder ab an Elif:

“Die Stadt, die niemals schläft, jeder unter Leistungsdruck.

Das Patch am Arm ist fast kaputt, so wie mein Reißverschluss.”

So bin ich angekommen in diesem Sommer, der niemals schläft, in dieser Stadt, die niemals weint. In dieser Hitze, die mich aushalten kann, in diesem inneren UUUUOOOOUUUUUU, das immer Räume findet für diesen Sex, der fast so kaputt ist wie mein Reißverschluss.

“Endlich tut es wieder weh” von Elif ist meine Sommerplatte, wie früher Lassie Singers, nur tolle Sätze und klackende Absätze drauf:

„Türkische Mädchen setzen nach der Party Kopftuch auf,

den Schmerz erträgt man nur wenn man noch an die Hoffnung glaubt.“

Man denkt immer, das muss doch schon mal jemand gesungen haben, hat es aber nicht:

“Weck mich auf, wenn OutKast wieder “Roses” singt,

Amy Winehouse wieder Drogen nimmt,

schwarze Chucks wieder in Mode sind.”

 

Oder auch:

“Und im Radio läuft wieder unser Lied,

fühlt sich für drei Minuten an, als wenn es uns gibt.”

 

Der Sommer kann jetzt starten, in dieser Bomberjacke.