7 Fragen an Zustra – “Hope is that thing with feathers”

von Sandra

“Ich habe mich sehr gefreut, dass ich “die Eselflüsterin” genannt wurde. Außerdem bin ich großer Fan von Waschbären, wie badass kann man halt sein?!”  (Ariana Zustra)

Am morgigen 29.06. wird die zauberhafte Zustra  – alias Ariana Zustra –  bei unserer “5-Jahre-Ich Brauche Eine Genie-“Gala im palmigen Biergarten des Festsaal Kreuzberg auftreten! Ich freue mich schon sehr auf ihr Konzert und bin gespannt, wie die Singer/ Songwriterin  (und Drummer  Danny) den wunderbar orchestralen, cinematischen und luziden Dream-Pop ihres Debut-Album “The Dream of Reason” live umsetzen werden.

Grund genug, ihr vorab ein paar Fragen zu stellen. Passend zum Thema “Dream” und “Reason”, “große Verträumtheit vs große Verkopftheit” hat sie die Antworten mitten in der Nacht geschickt. Ihre goodfeel-time wie sie selbst sagt…

 

 

1 a) Du hast in einem Interview erzählt, dass Dein Zugang zu Musik als Kind durch Keyboardmelodien geprägt war; was hast du denn als Kind auf dem Keyboard Schönes gespielt? Und wie hat das Leben und Schweben mit Tönen Deine Kindheit geprägt?

Ich habe als Kind Lieder, die ich mochte, auf dem Keyboard nach Gehör nachgespielt. Das waren zum Beispiel Songs aus Disneyfilmen von Arielle oder Pocahontas, Lieder vom Eurovision Song Contest, von dem ich damals schon Fan war, oder von No Doubt, meiner damaligen Lieblingsband. Ich konnte mich immer schon gut allein beschäftigen und habe ganze Nachmittage allein in meinem Zimmer damit verbracht. Und irgendwann habe ich die Melodien gespielt, die mir selbst in den Kopf kamen. So mache ich das noch heute, ich kann keine Noten lesen und habe nie eine Musikschule besucht oder Unterricht gehabt. Musik war, wie vermutlich für viele, ein Trost, eine Heimat. Melodien sind für mich wie Freunde, die mich besuchen.

1 b) Wohingegen Deine Anfänge als Zustra klassische Computersounds mit Akustik-Gitarre verbanden. Was konntest du von den keyboardgeprägten Anfängen da mit reinnehmen?

Gitarre habe ich mir beigebracht, als ich so 9, 10 Jahre alt war. Ich habe meine ersten richtigen Songs mit ihr geschrieben, deswegen fühle ich mich dem Instrument sehr verbunden und glaube, dass mich beziehungsweise meine Musik das klassische Singer Songwriting als Fundament bis heute prägt. Aber ich liebe es natürlich, mit dem Keyboard
beziehungsweise Synthesizer expansive Sphären zu schaffen. Ich mag die Kombination.

2a ) Du bist mit Deiner Familie als Vierjährige vor dem Krieg aus Kroatien geflüchtet. Jetzt ist wieder Krieg in Europa. Wie fühlt sich das für Dich an? Zumal: Am 24. Februar 2022 begann Russland den Überfall auf die Ukraine, einen Tag später erschien Dein Debut-Album…

Es fällt mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten oder über dieses Thema zu sprechen. Ich müsste so weit ausholen. Und weil ich nicht genug Worte habe, um mein Bedauern und meine Trauer über die Ereignisse auszudrücken. Ich war vor ein paar Jahren selbst für einen Sommer in der Ukraine und habe das Land und seine Leute lieb gewonnen und dort Freunde gefunden. Als der Krieg ausbrach, war ich gerade bei meinen Eltern, und als ich die ersten Bilder gesehen habe, liefen mir vor dem Fernseher die Tränen herunter. Bis zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass meine Heimatstadt Dubrovnik die einzige in meinem Leben bleiben würde, in dessen Straßen ich gelaufen bin und in der ich so glücklich war, und die ich jetzt bombardiert sehen muss. Aber selbst das war offensichtlich ein privilegierter Gedanke und eine trügerische Hoffnung.  Aber: Hope is that thing with feathers.

3) Apropos: „The Dream of Reason“ hat ein tolles Thema: es changiert zwischen Glasscherben und Samt und handelt von der Dualität aus Traum und Realität. Würdest du das als dein Lebensthema bezeichnen? Oder warum ist das Album so davon geprägt?

Ja, man könnte es als ein Lebensthema bezeichnen oder als etwas, was mich immer schon beschäftigt: diese Wechselbeziehung aus Traum und Realität, aus Illusion und Desillusion, die Gleichzeitigkeit aus Dunkelheit und Licht. Ich lebe im Spannungsfeld aus großer Verträumtheit und großer Verkopftheit, da ist immer ordentlich was los bei mir innen drin, haha! Einer der wichtigsten Filme in meinem Leben ist “Pan’s Labyrinth”, die Geschichte des Mädchens Ophelia, die, um der grausamen Realität des spanischen Bürgerkrieges zu entfliehen, sich eine Parallelwelt erträumt, in der sie eine Prinzessin ist, in der sie aber Aufgaben erfüllen muss, die aus der Realität herüberreichen, und die in dieser schonungslos Konsequenzen haben. Ich finde darin sehr viel. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Dinge, Menschen, Situationen für mich nie nur eine Farbe haben, sondern alles immer etwas schimmert.

 

ZUSTRA – The Dream Of Reason (Official Video) – YouTube

 

4) Du hast im kaput mag Interview von Christina Mohr hast gesagt: „Vor jedem Studiotag packt mich die größtmögliche Vorfreude, aber auch eine unglaubliche Urangst: Was, wenn es nachher nicht so klingt wie in meinem Kopf? Was, wenn ich diesen oder jenen Sound nicht finde?“ Das finde ich sehr sympathisch. Und kenne ich aus meiner eigenen Praxis als Musikerin. Immer diese Angst, dass der Song am Ende nicht so wird, wie man ihn sich
vorgestellt hat. Ich würde es sogar fast als eine der größten Ängste beim Musikmachen bezeichnen. Was würdest du sagen: ist das Album so geworden wie Du es Dir in Deinen Träumen und Sound-Fantasien ausgemalt hast? Und: kennst du das auch, dass man auch  positiv davon überrascht sein kann, wenn der Song am Ende anders klingt als man sich das vorgenommen hatte?

Ja, das kenne ich auch! Mir ist bewusst, dass ich beim Sounddesign meiner Musik sehr spezifische, präzise Vorstellungen habe, und im Studio fielen wohl auch schon lachend die Begriffe Asperger oder Synästhetiker, haha! Aber ich bin gleichzeitig auch sehr leicht sehr begeisterungsfähig und offen wie ein Schwamm für neue Impulse oder Ideen, oder natürlich
für Vorschläge meines Kollegen und Schlagzeugers Danny, sodass ich immer wieder lerne, dass Loslassen halt nicht ohne Grund manches besser macht. Selbst wenn man Monate an einem Song arbeitet, bleibt er eine Momentaufnahme. Ich neige dazu, alles perfekt umsetzen zu wollen und manchmal versteife ich mich darauf, dass ein Synth oder eine Snare nicht so klingen, wie ich das in meinem Kopf gehört habe, aber mit etwas Abstand kann ich dann schon erkennen: Ja, aber ist gut jetzt so.

 

( ZUSTRA – Walking On The Moon (Official Video) – YouTube

 

5) Eins meiner Lieblingslieder von Deinem tollen Album ist „Walking on the moon“. Du kreierst eine wunderschön-luzide Stimmung, die mal unheilvoll und dann wieder ganz paradise ist. Dazu singst du „I’m walking on the moon With nothing else to do. There’s always something old. In everything new.“ Wie wichtig ist es dir persönliche Träume und
theoretische Weisheiten gleichzeitig in Deinen Lyrics zu verbinden? Und was ist das „Alte“ in Deiner neuen, innovativen Musik?

Vielen lieben Dank! Ich bin immer sehr dankbar über Rückmeldung, weil das Schreiben meiner Texte ein sehr intuitives Geschehen ist und ich nicht plane, persönliche Träume mit theoretischen Weisheiten zu verbinden, wie du es beschreibst. Sobald mir eine Melodie in den Sinn kommt, die mich irgendwie packt, möchte ich sofort dazu singen, und die ersten Wörter, die irgendwo aus den Kellern meines Körpers zum Vorschein kommen, setzen interessanterweise sehr oft schon das Thema, ohne dass ich im Nachhinein maßgeblich etwas daran ändern kann. Aber ich vermute, dass ich bei aller Emotionalität sehr geprägt bin von Theorie und Literatur und dem Wunsch, meine Empfindungen zu abstrahieren und, wenn
möglich, zu sublimieren. Mich interessieren meine persönlichen Emotionen oder meine sogenannte Identität nicht, wenn ich sie nicht mit der Welt verbinden kann. Das ist eine schöne Frage und wenn ich jetzt darüber nachdenke, könnte das vielleicht das “Alte” in meiner Musik sein: Der Wunsch des Menschen, aus seinen kleinen großen Gefühlen, seiner Existenz heraus treten zu können und sich mit etwas zu verbinden, das weiter und höher ist als man selbst. Zum Beispiel mit der Erdgeschichte, die ist ja wirklich unschlagbar alt. Damit möchte ich gern anbandeln und denken: Ja, komm, Zustra, dagegen ist dein ganzer Krams hier halt so unwichtig, es ist echt possierlich. So starte ich doch gern in den Tag!

 

 

6) In Deinen Videos sind auch oft Tiere zu sehen. Was ist Dein Lieblingstier und was Dein Lieblingstraumbild?

Mein Lieblingstraumbild ist, wenn ich die Frage richtig verstanden habe, dass ich unter Wasser atmen kann. Ich liebe Esel aus ganzem Herzen, im Frühjahr habe ich sogar in Österreich auf einem Bauernhof gearbeitet, um dort mit zwei Eseln zu arbeiten, die reserviert gegenüber Menschen waren und an die Gegenwart von Kindern gewöhnt werden sollten. Ich habe das nie professionell gelernt, aber ich hing einfach so oft wie möglich bei denen rum und habe sie beobachtet und mit ihnen gesprochen und ihnen was vorgesungen. Es war ein Geschenk zu erleben, wie sie am Ende zutraulich waren, und ich habe mich sehr gefreut, dass ich “die Eselflüsterin” genannt wurde. Außerdem bin ich großer Fan von Waschbären, wie badass kann man halt sein?! Ich liebe alle Vögel, vor allem Spatzen. Und ich bin zutiefst fasziniert von Oktopussen, deswegen ist im Video zu “The Twinkling Of An Eye” einer zu sehen. Aber das Ding ist: Ich liebe alle Tiere über alles und möchte eigentlich keines bevorzugen. Ich fühle mich ihnen nicht weniger verwandt als Menschen. Weil selbst wenn ich eine Wespe oder Spinne oder so sehe, denke ich mir: Hey buddy, ja nun, da sind wir wohl gerade gleichzeitig auf der Welt. Und, wie ist für dich so?

ZUSTRA – The Twinkling Of An Eye (Official Video) – YouTube

7) Was erwartet uns bei Deinem Auftritt bei „Ich Brauche Eine Genie #17“ – wir freuen uns schon sehr darauf. Das grüne, palmige Ambiente des Biergarten Festsaal Kreuzberg scheint uns wie aus einer Szene deiner naturumarmenden Videos zu sein…

Ich freue mich schon so sehr auf diesen Auftritt unter freiem Himmel mit all den anderen Künstlerinnen, es ist mir eine Ehre! Vor allem, dass ich Teil dieser feministischen Reihe „Ich Brauche Eine Genie“ sein darf, ehrt mich sehr. Und ich freue mich, dass es einen literarischen Programmpunkt gibt und ich Sibel Schick und Juliane Streich kennenlernen kann – “These Girls, Too” lese ich gerade!

 

 TAZ Plan