Die Blockwärterin mit der Blockflöte

Jetzt aufgedeckt: die ganze Wahrheit warum auf den wichtigsten alternativen Festivals in Deutschland keine oder kaum Frauen* gebucht werden

von Kerstin

Es ist Frühling, so viel steht mal fest. Heute morgen waren es 8 Grad Sonnenschein, und man konnte ohne Mütze rausgehen, was sehr schön ausgesehen hat, auch wenn Mützen in den Protestbewegungen dieses Jahrzehnts ja wundervolle Kampf-Symbole sind. Aber der Alltag, das Leben, will nicht Kampf sein; will Blume sein und Honig machen. Bei der diesjährigen Märzenskälte fühlt sich alles ab 8 Grad an wie Sommer und nachher soll es sogar noch 11 Grad geben und die Sommerzeit gibt’s gratis oben drauf.

Mit so viel schönem Wetter in mir drin, will ich natürlich erst Recht keine neuen Feindschaften mehr schließen, auch wenn mein Blog einer ist, der sich ums Wohlergehen von Musikerinnen kümmert –  und Musikerinnen müssen sich in Deutschland ja bekanntlich immer nur herumstreiten. Man traut ihnen nicht so richtig zu, dass sie sich mit der Harmonielehre auskennen. Deshalb: „Krieg, kein Frieden. Krieg kein Frieden“ (Blumfeld). Leider.

Man denkt sie bzw. ihre Musik wäre von Grund auf “schräg.” (Da in meiner Familie in der NS Zeit Menschen wegen sogenannter “Geisteskrankheit” verfolgt wurden, packt mich ein zutiefst im Inneren gefühlter Grusel, wenn ich aus dem Mund von “deutschen” Menschen andauernd das Wort „schräg“ höre, oder „verrückt“. Entschuldigung, ich kann das gar nicht hören, wenn man Leuten den Beruf oder das Leben verbieten will, wegen „verrückt“ oder „schräg“. Auch deshalb kenn ich mich ganz gut aus mit der musikalischen Lehre von der Harmonie und vom Zusammenwirken der unterschiedlichsten Töne. Mag sein, dass ich da ein wenig überempfindlich bin).

Wer immer noch nicht wahrhaben will, dass deutsche Musikerinnen in diesem Fall aber wirklich mal verdammt benachteiligt sind, darf sich gerne die grandiose, seit Jahren und Jahrzehnten überfällige Titelgeschichte im aktuellen TIP durchlesen. Maike Rosa Vogel, Cäthe, Naima Husseini und Balbina analysieren dort aufs Treffsicherste die beschissene Situation von Musikerinnen in bad old Germany. Sie sagen lauter richtige Sachen, und sie beschönigen nichts. Denn wenn sich eine*r etwas vormacht über die Strukturen, in denen er oder sie leben muss, dann wird es davon ja nicht besser. Was hab ich davon, dass ich im Frieden mit mir selbst lebe und rein psychologisch betrachtet, ganz toll für mich selbst sorgen kann, wenn die Festivals in D´schland zu 92 Prozent Männer-Acts buchen (und die 8 % Frauen*, die sie dann noch buchen, sind gewiss keine Musikerinnen aus Deutschland).

Und damit wären wir auch schon beim Thema dieses Artikels. Es geht um ein Interview, das ich vor ein paar Wochen im Radio gehört habe. Ein Interview mit einer Bookerin, die für zwei der wichtigsten deutschen Alternativ-Festivals fast ausschließlich männliche Acts bucht. Da ich sie, wie gesagt, nicht zur Feindin haben möchte (und das geht bei Frauen*, die in ihrem Berufsumfeld gerne „die einzigen Frauen“ sind, wie auch diese Bookerin nicht ohne Stolz das Geschlechterverhältnis an ihrem Arbeitsplatz beschrieben hat, bekanntlich schnell), muss dieser Text ohne die Nennung ihres richtigen Namens auskommen. Zumal es sowieso kein Zuckerschlecken ist mit Leuten über SACHFRAGEN zu diskutieren, wenn man ganz genau weiß, dass der Hase ganz wo anders begraben liegt, nämlich da, wo sie die Wünsche aus ihrer Kindheit einfach zugeschüttet und begraben haben.

Und da wären wir auch schon beim Glutkern des Problems. Laura, nennen wir sie mal Laura, hat nämlich auf die Frage nach den tieferen Gründen für die Nicht (- oder fast-Nicht-) Buchungen von Musikerinnen, ganz frech, aber steif und fest, so etwas in der Art behauptet wie (ich zitiere hier mal aus dem Gedächtnis): das liege daran, dass es heutzutage eben noch nicht genug Musikerinnen gäbe, die gut genug seien, für ein Festival gebucht zu werden, da es doch erst seit ein paar Jahren so üblich sei, dass Frauen* zum Musikunterricht gehen und dort „richtige“ Instrumente lernen. Und dann dauere es ja auch noch mal einige Jahre bis sich aus so einem Können ein Kunstwerk entwickelt habe und man damit auf einem Festival auftreten könne.

Bei so einer Sichtweise ist es natürlich kein Wunder, dass sich auch die Festivals, für die Laura arbeitet, nicht auf die von der englischen GEMA gstartete Key-Change-Initiative einlassen, wonach sich Festivals verpflichten sollen bis zum Jahr 2022 eine Frauen*quote von 50 % zu erreichen. Lauras Auffassung legt nahe, dass wir noch viele, viele Jahre warten müssen, bis überhaupt mal eine nennenswerte Anzahl von Frauen* in der Lage wären auf Festivals aufzutreten – und was ist mit uns allen?

HALLO, ES GIBT UNS!!!

Wir sind die Musikerinnen unserer Zeit, und wer uns alle nicht kennt, kennt sich mit Musik nicht aus und hat, im Falle, dass er oder sie Booker ist, einen verdammt schlechten Job gemacht.

Dass es heutzutage (und in den nuller Jahren gab es die übrigens auch schon) genug richtig tolle, talentierte Musikerinnen gibt, um die Quote mehr als zu erfüllen, wie Katja Lucker und das Berliner Popkultur Festival jedes Jahr aufs Neue beweisen; das interessiert Laura nicht.

Aber zum Glück werden solche Statements wie das von Laura im Radio nicht unwidersprochen gesendet! Wer beschreibt meine Erleichterung als direkt nach dem Laura-Interview Katja Lucker befragt wurde – und aufs Schönste widersprach. Sie komme nicht unbedingt aus einer progressiven Familie und habe trotzdem als Kind Schlagzeug gelernt. Und betonte dann auch wieder, wie viele (tolle) Musikerinnen es gibt. Sie forderte die Festivalbetreiber*innen auf, aus ihrer Bequemlichkeit auszusteigen.

Davon will Laura nichts wissen, denn sie hängt noch an den verborgenen, unausgelebten Wünschen ihrer Kindheit, und die sind bekanntlich besonders hartnäckig, zumal wenn sie unterdrückt wurden und nie so richtig ans Tageslicht kommen durften; und dann verallgemeinert Laura ihre Unterdrückung auch noch und überträgt sie auf die gesamte Gesellschaft: sie selbst habe als Kind nämlich nur eine Blockflöte zu Weihnachten bekommen – während der Bruder eine Gitarre bekam. Und bei all ihren Freundinnen war es angeblich genauso!

Und kein Wunder also, dass Frauen* nicht Gitarre spielen können.

AUFWACHEN, Laura: Frauen können Gitarre spielen, nur DU kannst es nicht!

Oder anders gesagt: Liebe Laura, uns vom Ichbraucheeinegenie-Blog tut das natürlich ganz besonders Leid für dich. Und das ist kein Krokodilsmitleid, das ist wirklich tief empfunden. Wir wissen ja, was für ein herrliches Gefühl das ist, in die empfindsamen Saiten einer Gitarre zu greifen und ihr so richtig die geilen Klänge aus der Hölle zu entlocken 🙂 ,  oder wie rundum gut man sich fühlt, wenn man seinen Gefühlen auf dem Klavier Ausdruck verleihen kann. Wie das Herz dann fliegt und der ganze Raum Flügel bekommt und man selbst einfach so mit den Tönen verschmilzt, die man auf seinem Instrument hervorgebracht hat. Eins der schönsten Gefühle der Welt, aber auch das Ergebnis von harter Frickel-Arbeit im Hirn, und mit den Händen. Während andere draußen Schlitten fahren oder ins Kino gehen, sitzt man da vor diesem Brocken von Instrument und versucht sich die Noten des Bass-Schlüssels einzuprägen, obwohl einem selbst die vom Violin-Schlüssel noch schwerfallen.

Du darfst dich also gerne über eine Kindheit beschweren, in der man dich mit einer Blockflöte beschenkt hat. (Ich mag auch keine Blockflöten, allein die viele Spucke. Wir mussten das seinerzeit in der Schule lernen, und das hat mir so wenig Spaß gemacht, dass ich in der Grundschule im Blockflöten-Förderkurs war, während ich zur selben Zeit auf der Orgel Sixties-Psychedelic und Klassik-Stücke spielen konnte). Du darfst dich auch über DEINE Eltern beschweren (und über die Eltern deiner Freundinnen – ja, gleich und gleich gesellt sich gern…), die ihren Töchtern ebenfalls lieber Blockflöten als Gitarren unter den Weihnachtsbaum legten. (Wenn`s denn mal stimmt, und das nicht nur ein pures Propaganda-Argument ist, das du gut mit deinen Kollegen vom Festival abgesprochen hast, damit die auch in Zukunft kaum Frauen*einladen; ihnen echtes, pures Geld überweisen müssen. In diesem Fall würdest du dich INSTRUMENTALisieren lassen, für die Bedürfnisse einer seltsam patriarchalen Musik-Kultur. Aber, ich will nichts unterstellen. Ich sehe dich als eigenverantwortliche Person, die für die eigenen Haltungen und Handlungen verantwortlich ist). Wer so so denkt wie du, Laura, der handelt auch so. Wenn ich denke, dass es die Musikerinnen nicht gibt, dann kann ich auch nicht so handeln, als ob es sie gäbe.

ALSO, TIEF DURCHATMEN…

Denn: die Erfahrung, dass die Jungs* schon im Elternhaus coolere Instrumente spielen dürfen als Mädchen* (bei uns zuhause war das übrigens nicht so: meine Schwester bekam eine Gitarre, weil sie sich eine wünschte, mein Bruder hörte zwar auch gerne Gitarrenmusik, aber er wünschte sich nie eine Gitarre, sondern zeichnete lieber, also bekam er auch keine Gitarre), nicht nur auf die ganze Gesellschaft zu beziehen, sondern daraus auch echte Handlungen abzuleiten (sprich: „Weil es keine Frauen gibt, die Gitarre spielen, kann ich auch keine buchen“), das ist schon eine starke Unverschämtheit, um nicht zu sagen: das ist der Moment wo das (vermeintliche ) Opfer zum Täter wird oder zumindest zum Mitläufer, das die am eigenen Leib erlebten Strukturen immer weiter reproduziert, und damit jetzt den anderen Frauen* das Unrecht antut, das man selbst als Kind so noch nicht einmal empfunden hat, weil es eben „normal“ war, dass Mädchen* Blockflöte spielen und Jungs Gitarre. Weil das, was als Normalität empfunden wurde, auch heute noch als Normalität empfunden wird – auch wenn es in Wirklichkeit noch sehr viele andere „Normalitäten“ gibt.

Hat Laura in all den Jahren, wo sie als Bookerin arbeitet,und sie macht das schon sehr lange;  nie einfach mal für Musik von Frauen* geschwärmt? Frauen*, die auf ihre eigene Impulse gehört und ein Instrument gelernt haben (scheißegal doch, ob sie auf einer Musikschule waren oder es sich selber beigebracht haben. Die Indie-Szene kommt doch eh vom Punk. Seit wann fragen wir unsere Eltern um Erlaubnis ob wir ein Instrument spielen bzw. in ein einer Rockband spielen  dürfen. Dann halt nicht als Kind, dann halt als Teenager…). Aber all die vielen tollen Platten von all den vielen tollen Musikerinnen müssen in dieser Diktatur der angepassten Booker*innen von Anfang an aussortiert werden.

Es darf sie schlicht gar nicht geben, weil doch Laura auch keine Musik machen darf und was Laura nicht darf, das dürfen wir alle nicht.

Blockflöten-Laura ist nämlich auch ein klein wenig eine Block-Wärterin. Ich “kenne” sie quasi persönlich. Der Chefredakteur einer Musikzeitschrift hat sich mal dafür eingesetzt, dass wir mit Doctorella auf einem Festival seiner Zeitschrift spielen. Aber da Laura die Bookerin dieses Festivals war, musste er sie um Erlaubnis fragen, und für Laura war das gar keine Frage, dass Doctorella auf gar keinen Fall da spielen dürfen. Das wurde mit einem Achselzucken abgetan, wie ich aus dem Gespräch mit dem Chefredakteur entnommen habe. So nach dem Motto: „Neee, die nicht.“ Klaro doch: die nicht! (Immer dieselben schrägen Typen, die den Unterricht stören.) Und jetzt weiß ich auch warum: weil eine autoritäre, dumm und falsch und anti-feministisch argumentierende Blockwärterin eben anderen Leuten das, was sie selber nicht darf, nämlich Musik machen, auch nicht erlaubt.

Wer wie ich in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, und sich nie mit dem autoritären Charakter beschäftigt hat, dem sei hier mal kurz einer seiner Grundzüge erklärt (allen andern natürlich auch :): der Autoritäre kann nur sehr wenig Genuss empfinden und deshalb muss er anderen den Genuss verbieten. Er ist, genau wie der narzisstische Charakter, voller Neidgefühle, die er nur schwer unter Kontrolle hat. Er will ein kleines Reich beherrschen – keine und keiner darf ihm da reinpfuschen. Er lässt sich nichts sagen, außer von Vorgesetzten (denn, wenn er was genießt, dann das Oben und Unten und selber Mittendrin-Dabeisein) und schon gar nicht von Feministinnen, wenn die nicht seine Vorgesetzten sind. “Die Fotzen” sollen reden was sie wollen – Blockwärterin Laura steht da drüber!!

Kein Argument aus der feministischen Diskussion hat sie bislang erreicht, ungebrochen referiert sie die immergleichen Argumente, die immer dann kommen, wenn die Herrschaft der weißen Männerfestivals in Frage gestellt wird. Dabei hat sie einen recht kleinlauten Ton in der Stimme, sie neigt nicht dazu, Sachverhalte ausufernd zu erklären. Sie redet wie ein Mensch, der Angst hat, dass er was Falsches sagen könnte, und kommt deshalb nicht in einen richtigen Redefluss. Das hat auch etwas Angenehmes. Wenn Laura spricht, kann man sich schnell mal die Ohren zuhalten – und dann ist es auch schon wieder rum. Was von ihr bleibt, sind nicht ihre Argumente, nicht ihre Rede, (auch nicht ihr Name), sondern die Hartherzigkeit ihrer Handlungen. Obwohl sie für Festivals bucht, die schon ganz oft für ihre Männerlastigkeit angegriffen wurden, macht sie weiter, als ob nichts gewesen wäre.

Sie sagt zum Beispiel: Wenn ich eine Musikerin wäre, würde ich nicht wegen der Quote, sondern wegen meinem Können gebucht werden wollen.

Wie einst DEINE Eltern

Hey Laura: DU bist es doch, die keine Frauen bucht, die können doch so talentiert sein wie, sagen wir, Nirvana, Kendrick Lamar und Element of Crime zusammengenommen. DU WÜRDEST ES NIE ERKENNEN!!! Deshalb brauchen wir eine verdammte scheiß verfluchte Frauen*quote, weil IHR schon eine Männerquote habt, weil IHR es seid, die sich die Ohren zuhalten, wenn Frauen* die coolen Instrumente auspacken. Wie einst DEINE Eltern.

Aber, bleiben wir mal fair. Dies ist ein Blog über Frauen* im Musikgeschäft, und was läge da ferner, als diejenigen Frauen* im Musikgeschäft, die noch nicht so ganz begriffen haben, dass ihre alten antifeministischen Argumente zwar noch nie was getaugt haben, aber heute, wo es so viele unterschiedliche Musikerinnen gibt, erst Recht nicht mehr, gleich mal selber auszusortieren. Ein bisschen Überzeugungsarbeit will ich hier gerne noch leisten, wo ich doch selbst mit so viel Talent gesegnet bin! Laura ist schließlich auch eine Frau* im Musikgeschäft, und hat bestimmt auch schon viel Sexismus abgekriegt und das hat sie auch nicht verdient. Sie hat sich auch durchgebissen und arbeitet sicher auch hart und ist womöglich sogar mit ein bisschen Herz bei der Sache, wenn es auch vor allem für die Musik von Männern schlägt.

Ich würde wirklich gerne jetzt etwas Nettes über sie schreiben. Ich will ja keine Fern-Charakter-Diagnosen machen. (Sowas ist ja angeblich aus psychologischer Sicht sogar dann noch bedenklich, wenn studierte Psychologen Trump Narzissmus diagnostizieren, sowas darf man gar nicht, das ist politisch und menschlich zutiefst inkorrekt, wahrscheinlich zu Recht).

Also, ich kenne Laura eigentlich gar nicht, hab sie nur einmal kurz getroffen und drei Sätze mit ihr gewechselt. Damals hat sie sich vor dem Backstage-Raum von Frank Spilker aufgebaut wie eine preußische Bienenkönigin, und mir eine fast unterwürfige Bettelei abgetrotzt („oh, bitte, bitte liebe Laura, wir kennen uns doch, wir haben doch beide mal für die selbe Zeitschrift gearbeitet, lass mich doch rein, ich muss nur kurz was mit ihm besprechen) –  und mir mit einer energischen Verbots-Vehemenz, die ich so noch nie erlebt habe, den Zutritt verwehrt; obwohl es ein vergleichsweise kleines Konzert war und ich mich nicht entblödete ihr zu erzählen, dass ich Frank kenne, seit ich 14 bin, und mit ihm backstage verabredet sei, er wohne ja schließlich nicht in Berlin und wir müssen unbedingt über seinen Buchbeitrag für unser Buch „Madonna und wir“ reden,wofür er was schreibt, quasi unter Kollegen…  BlahBlah. Aber manche Menschen blocken einfach alles ab.

Also kurz gesagt: vielleicht ist sie ja gar nicht autoritär oder narzisstisch strukturiert, sondern sie hat nur ihren Job besonders gut gemacht. Woher soll ich das wissen? (Und wenn, wäre das so schlimm? Auch autoritäre Narzisstinnen müssen ja nicht zwangsläufig Frauen* unterdrücken, sie können ja auch mal Charakter beweisen.)

Es geht mir also gar nicht um Laura persönlich, es ist mir scheißegal, was für ein Mensch sie ist, auch wenn ich einen sehr schlechten Eindruck von ihr habe, und ich das einigermaßen interessant finde, sondern um das, was sie verkörpert. Diesen Typus Ausnahmefrau, der sich hartnäckig ganz oben und oft als einzige Frau in den Strukturen der Männergesellschaft hält und auch im Jahr 2018 noch alles weg beißt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Diesen Typ Frau, den das Patriarchat da an die Eingangstür gestellt hat, damit die Jungs weiter unter sich bleiben dürfen. Damit sie das bisschen Geld, das mit Musik heutzutage noch verdient werden kann, nicht auch noch mit den Frauen* teilen müssen. Oder warum auch immer. Vielleicht auch einfach nur, weil sie Leuten wie Laura deren tragischen Geschichten über die falschen Weihnachtsgeschenke abkaufen. Weil sie nie, nie nachfragen, wenn eine Frau* andere Frauen* wieder wegschickt oder deren Musik für minderwertig erklärt. Weil sie es nicht für möglich halten, dass auch Frauen* Sexistinnen sein können. Aber gerade im Musikgeschäft gibt es davon eine Menge – und ich kann euch sagen: sie hassen nichts so sehr wie Musikerinnen. Am liebsten würden sie für sich und ihresgleichen für Gerechtigkeit sorgen, aber die ganze Sache mit der Popkultur ohne Frauen* durchziehen. Und wenn es schon sein muss, dann buchen sie natürlich nur die ganz Großen und Berühmten aus Übersee. Oder aus Schweden. Hauptsache, sie hauen danach wieder ab und sind nicht Teil ihrer Strukturen, ihrer Netzwerke, ihres Umfelds.

Bloß keine Solidarität mit den Musikerinnen vor der eigenen Haustür. Denn die sprechen nicht nur die Sprache der Musik, die sprechen auch die selbe Sprache wie sie selbst, waren auf den selben Schulen, kommen aus ähnlichen (oder unähnlichen) Familien. Die können was, was sie nicht können: die haben Taktgefühl und Rhythmus, eine Stimme, die nicht nur für sich selbst sprechen will, aber ganz tief in sich reingehört hat. Die können ihr Herz zum Singen bringen. Die kriegen sogar Ruhm dafür. Die stehen da als ganze Menschen auf der Bühne, da ist Freude im Körper. Und da misstraut der Blockwart, die Blockwärterin: Das darf nicht sein! Leute die Klavier spielen können, haben in Deutschland schon immer das Misstrauen von Blockwärtern und Blockwärterinnen auf sich gezogen, vor allem, wenn sie irgendwie so anders waren…

Auch das ist eine Geschichte, die deutsche Musikerinnen erzählen könnten. Aber Herrenmenschinnen- Indiedeutschland wagt es nicht, ihnen zuzuhören. Dabei sollte Rockmusik doch von einem Aufstand GEGEN die Elterngeneration handeln, das ist zumindest bei den Jungs erlaubt, bei den Mädchen, Queers, Transgender nicht? Warum nicht? Woher kommt eure verdammte Scheißangst vor rebellischen Mädchen*, dass ihr sogar behauptet, es gäbe sie eigentlich nicht. Der falsch verstandene “Feminismus” vieler Festivalmacher*innen geht ungefähr so: ja, okay, wir bestreiten ja gar nicht, dass Frauen in dieser Gesellschaft nicht genug Selbstbewusstsein haben, um Musikerin zu werden. Aber das ist doch nicht unsere Schuld. Wir sind doch erst am Ende dieser Verwertungskette.” FALSCH! Das Musikgeschäft ZEMENTIERT einen Zustand, den es so in der Gesellschaft schon lange nicht mehr gibt. “Die sind schlimmer als die CDU” sagte Sandra dazu neulich in diesem TAZ- Interview.

Das muss so

Also apropos: Rebellion gegen die Eltern. Wenn die Kinder genau das machen, was die Eltern ihnen eingetrichtert haben, wenn die Kinder nicht ihrem eigenen Herzen folgen, sondern sich möglichst so verhalten, dass die Eltern zufrieden sind, dann spielt halt das Mädchen* Blockflöte und der Junge spielt Gitarre. Das kann man dann eins zu eins in die Geschäftsbücher der alternativen Rockfestivals übernehmen. Das ist nunmal so, und das soll noch zehn Jahre oder so, so weitergehen. Bis die heute verantwortlichen Jungs und das eine Mädchen* in den verantwortlichen Positionen ihre Schäfchen im Trockenen haben. Das muss so. Das muss immer weiter reproduziert werden, immer weiter, damit nur nie die alten Träume aus der Kindheit wieder aufbrechen, damit der Schmerz nie fühlbar wird. Damit Laura sich nie damit auseinandersetzen muss, dass sie da eine Schwere fühlt, etwas Wut vielleicht, eine Trauer, eine Ohnmacht, die sich vielleicht schon beim geringsten Anlass bemerkbar machen will, heute, ein Ruhiggestelltwerden.

Wie zur Strafe schaut sie sich immer wieder nur Männer an, die die Gitarre spielen. Es ist wie früher in der Kindheit. Der Bruder von Laura und die Eltern von Laura sind jetzt überall, ihre innere Stimme will ihnen Recht geben, das kleine Mädchen*, das selber gerne Gitarre gespielt hätte, ist verstummt – und hält all die großen Mädchen*, die Gitarre spielen können, klein.

Denn Laura hat Macht. Und die missbraucht sie. Gnadenlos. Gegen uns alle. Niemals wird eine von uns auf einem Festival spielen, das Laura bucht. Dafür sorgt Laura, wenn sie schon sonst keine Sorgen hat.

Musikerinnen aus Deutschland erinnern die Sexistinnen im Musikgeschäft am allermeisten an die eigenen, seit der Kindheit unterdrückten Wünsche nach Kreativität, Lebendigkeit, Ausdruck, nach Leidenschaft, Liebe, Wut, danach: die eigene Geschichte zu erzählen. Bitte tut`s nicht, rufen sie uns zu. Seid ihr doch bitte auch still, wenn wir es schon sein müssen. Wir sind doch alle gleich, oder? Was nicht gleich ist muss eh ausgeschlossen werden, aber ansonsten sind wir alle gleich, oder?

Nein, das sind wir nicht. Nein, wir sind nicht alle gleich, Laura. Ich bin nicht wie du Laura. Ich bin nicht (mehr) belastet von Elternstrenge und Blockflöte. Ich hab die Blockflöte mittlerweile sogar ein bisschen gern. Die Musikerin aus Deutschland kann man nicht wegexotisieren. Sie bringt zum Ausdruck, dass es doch gegangen wäre, dass es möglich gewesen wäre, auch ein ganz anderes Leben zu leben. Sie muss man auf jeden Fall ausschließen, unsichtbar machen, es darf sie gar nicht geben, es hat sie nie gegeben, sie existiert nicht, sie darf nicht auf die Bühne, sie darf nicht in den Backstageraum der Männerkultur. Die Blockwärterinnen des deutschen Musikgeschäfts müssen immer wieder beweisen, dass nicht ist, was nicht sein darf. Dass man auf keinen Fall seinen eigenen Impulsen folgen oder die Welt auf eigene Faust erkunden darf.

Laura ist nicht nur eine ganz gerechte Erbsenzählerin, sie hat genau den Jargon drauf, den man auch von ihren männlichen Kollegen kennt. Kleinlaut gibt sie zu, in besagtem Interview, dass sie ja durchaus auch gar nichts dagegen habe, Frauen* zu buchen. Sie sagt das mit einem gequälten Lächeln, denn eigentlich, sagt Laura, ist es ihr schon zuwider, wenn ein gutes Festival-Line-Up heutzutage nur noch danach beurteilt wird, ob auch genug Frauen* da spielen. Laura möchte mal an ihren guten Taten gemessen werden. Es geht doch schließlich um Musik, nicht um Frauen*. Aber gut, okay, Laura will mal gar nicht so kleinlich sein. „Es ist ja nicht so, dass wir das nicht wollen“, sagt sie. Wir wollen ja schon. (Aktuell hat das dazu geführt, dass beim aktuellen Großfestival von circa 60 Acts irgendwie 3 Acts dabei sind, wo auch eine Musikerin mitspielt. Danke Laura, für dieses Traumergebnis!) Und wenn Laura das so sagt, dass sie es schon okay findet, dass sie das durchaus nicht nicht-will, das Frauen*buchen, dann klingt das ein bisschen so, wie dieser berühmte Rassisten-Spruch: „Ich hab ja gar nichts gegen Ausländer, aber…“

ABER

Das Aber, wenn alle anderen Abers durchgefeilscht worden sind, das letzte große Aber der wichtigen deutschen Alternativ-Festivals, es lautet: ich und meine männlichen Kollegen wir würden ja gerne mehr Musikerinnen buchen, aber sie stehen uns halt nicht zur Verfügung. Nicht an diesem einen Wochenende, wo wir unser Festival machen. Die Frauen*, die Musikerinnen, sie stehen uns nicht zur Verfügung… es gibt ja nur so wenige, nicht in ausreichender Anzahl, nicht die, die wir wollen.

Auch Laura hat das wieder gesagt, in jenem knapp dreiminütigem Radiointerview, in dem sie eigentlich alles gesagt hat, was dazu zu sagen ist.

Dieses eine Aber, dieses letzte, dieses scheußliche Wort der Verfügbarkeit, das wie automatisch-eingetrichert immerzu fällt, wenn diese Festival-Leute auf ihre (un)heimliche, fast 100% igeMänner-Quote angesprochen werden, will ich in diesem Text jetzt nicht auch noch auf seinen Symbolgehalt, seinen Assoziationskreis  hin analysieren.

Sonst werde ich nämlich wirklich wütend.

Denkt euch doch selber was dabei, wenn ihr andauernd darüber redet, dass euch Frauen*, weibliche* Musiker, nicht zur Verfügung stehen. Und dass sie deshalb von euch nichts bekommen…