LINK zum Deutschlandfunk Kultur Beitrag über “Bravo Bar” (aus der Sendung “tonart”):
Musikalische Spuren in aktueller Belletristik
Deutschlandfunk Kultur: Hier die Literatur, dort die Musik, so ganz klar ist diese Trennung dann doch nicht, man muss ja nur an Bob Dylan denken, der 2016 den Literaturnobelpreis bekommen hat. Und auch sonst passiert es immer wieder, dass Autor:innen anfangen zu singen, und Menschen aus der Musik, die schreiben Bücher. Gleich zwei solcher Bücher von Musikmachenden ,stellt Steffen Greiner jetzt vor: er ist ja unser regelmäßiger Beobachter in Sachen wie aktuelle Belletristik Musik verhandelt. Hallo Steffen: was genau hast du uns mitgebracht?
Steffen Greiner-Deutschlandfunk Kultur: Zum einen einen Roman von Kersty Grether, „Bravo Bar“ heißt der, man kennt sie und ihre Zwillingsschwester Sandra ja aus vielen Kontexten, als Riot Girls, als Pionierinnen von Frauen im Musikjournalismus, als Veranstalterinnen in der Berliner Indie-Subkultur, „Bravo Bar“ ist ihr erster Roman seit zehn Jahren und man muss es eigentlich echt nochmal würdigen wie Grethers Themen immer ausgeweitet haben, was Pop-Literatur sein kann: „Zuckerbabys“ 2004 beschäftigte sich mit Essstörungen, „An einem Tag für rote Schuhe“ ging in der Debatte letztes Jahr um Stuckrad-Barre, wer eigentlich den ersten #metoo-Roman geschrieben hat, zu Unrecht unter, finde ich. Diesmal ist das einerseits ein historischer Roman um die letzten beiden Jahre vor Corona, es geht aber eben auch um Brustkrebs, darum, wie sich Feminismus und Straßenrap vertragen, Klassismus und um Sexismus im Musikbusiness.
Deutschlandfunk Kultur: Die Bravo Bar, zumindest wir Berliner wissen das, das ist eine Bar in der Torstraße in Berlin-Mitte, ein legendärer Ort, wo sich viele Leute immer wieder getroffen haben, auch während Corona, aber worum geht es in diesem Roman Bravo Bar?
Steffen Greiner-Deutschlandfunk Kultur: Im Zentrum stehen drei Charaktere und das ist so episodisch angelegt, jede Person steht mal im Fokus. Da ist die prekär lebende, aber dann reich erbende Indie-Musikerin Greta, ich glaub, da lehnt man sich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, das ist da irgendwie sowas wie das Alter Ego von Kersty Grether, also die hat nachher ein eigenes Label, die organisiert feministische Protestmärsche. Dann haben wir einen weißen mittelalten Popjournalisten Timo, der ist nicht ganz un-eklig, wie Greta ihn zeichnet, wie er so seine Tagebücher schreibt, das ist schon ein bisschen unangenehm, aber es ist schon ein bisschen wie dieser Rabbi Noah in dieser aktuellen Serie „Nobody wants this“. Mir kommts ein bisschen so vor als würden gerade so feministische Takes sowas wie einen nicht-toxischen Mann erfinden. Fänd ich eigentlich ganz begrüßenswert. Und dann gibt`s einen Straßenrap-Superstar Rachelle Engel, bürgerlich Silvana, der bekannt wurde mit abwertenden Raps über andere Frauen. Die macht ne Chemotherapie, aber will das nicht öffentlich machen, gum ihr Image nicht kaputt zu machen. Aber Kersty Grether zeichnet auch ein schönes Bild der Szene in Berlin der Jahre 2018, 2019.
Deutschlandfunk-Kultur: Also ist es tatsächlich ein musikhistorischer Roman?
Steffen Greiner-Deutschlandfunk Kultur: Ja, also teils, teils. Ein zentraler Shitstorm über sexistische Preisverleihungen im Musikbetrieb, der findet noch auf FB statt. Und ich dachte mir zwischendurch schon bei dem Thema, okay, Frauen, die im Musikbusiness komplett raus sind, das liest sich jetzt nach so einem Sommer mit der Eras-Tour von Taylor Swift, mit den Adele Konzerten in München, mit dem brat-summer, der ja von Frauen geprägt war; gut, dass da was passiert ist. Aber dann muss man natürlich sagen, wie sich ja gestern früh wieder herausgestellt hat (mit der Wiederwahl von Trump am 6.11.): dass es eigentlich immer noch so Bubble- und Medienphänomene sind, der Rest der Gesellschaft scheinbar dem Autoritarismus freudig entgegenblickt, man muss auch sagen, nee, in der Ecke, um die es geht, Rockfestivals in Deutschland, da sieht`s weitgehend immer noch so scheiße aus wie damals, was den Anteil von Frauen auf der Bühne angeht: da bleibt die Kritik von Bravo Bar absolut notwendig!
Kersty Grether, die macht ganz viele Dinge, aber sie ist eben auch Musikerin, sie hat gerade mit ihrer Band The Doctorella ein neues Album gemacht. Genau, und ich ahne, dass „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“, das ist im September rausgekommen, durchaus auch ein Soundtrack zu diesem Buch ist. Die Grethers sind ja immer ganz referenz-süchtig, das ist im Buch auch ganz offensichtlich, von Lady Gaga bis Donna Summer. Aber das gilt auch für die Musik von The Doctorella; sicher ist, zumindest tauchen Fetzen der Lyrics, die das mutmaßliche Alter Ego der Grether, Greta, im Buch der Rapperin Rachelle überlässt, auch auf dem Album auf: Nämlich im Song „Cliffhanger“ und der ist wiederum eine Hommage an Rihannas „Umbrella.“
Hören wir doch mal rein!
DLF Kultur:
Cliffhanger, von The Doctorellas Offenes Sprechen über Krankheit, das ist ein Thema bei „Bravo Bar“, und auch das nächste Buch, das du uns mitgebracht hast ..