Don Marco & Die kleine Freiheit – Ein Gefühl für die Leichtigkeit des Leichten

von Kersty und Sandra

Heute wollen wir einmal zugeben, dass wir natürlich auch Musik von Männern hören, jedenfalls, wenn es sich dabei um “Ausnahmemänner” wie Markus Naegele und sein Projekt “Don Marco & Die kleine Freiheit” handelt :). Schon seit Monaten tanzen wir durch unsere Wohnungen zu diesem humorvollen, aufbegehrenden Rundumschlag gegen die Nervereien des Daily Life,  die,  im Ganzen genommen, ja wirklich das ganze Leben bestimmen!

Der stylische Mann, der einen breitkrempigen Country-Hut tragen kann,  als ein forsches Zeichen für Morgen, ist bekannt von der Münchener Indie-Rockband Fuck Yeah. Zwei englisch-sprachige Alben später hat Markus Naegele aka Don Marco sich der “deutschen Sprache angenähert”, wie das Albuminfo verspricht.  Schließlich sei er auch Fan von Udo Lindenberg, GUZ und Tilmann Rossmy. Und Hey Yeah, das war eine gute Idee! Auf ” Gehst du mit mir unter”, dem brillanten Debut-Album von Don Marco & Die kleine Freiheit überzeugt der Don jetzt mit tollen deutschsprachigen Lyrics.  Und mit Texten kennt er sich aus: Markus Naegele war der Herausgeber des Frankfurter Fanzines “Superstar” und ist  Verlagsleiter von Heyne Hardcore, der z.B. die Romane von Irvine Welsh und in diesem Monat die herausragenden Jugend-Erinnerungen “Ein anderer Planet” von Tracey Thorn veröffentlicht hat.

Mit dem schnoddrigen Rossmy und dem lässig-pathos-erfahrenen Lindenberg im spirituellen Gepäck könnte der Don aber auch ein Seelenverwandter der Singer/Songwriterin Lydia Daher und ihrem Motto “Immer der Sonne nach und untergehen”  sein,  was Don Marco auch schon im Titel seiner Begleitband deutlich macht: die kleine Freiheit. Wobei eins klar ist: die vielen kleinen Freiheiten machen die großen erst möglich!

Die Songs klingen nach der wirklich unautoritären time des Rock`n Roll, als Freiheit noch ein Wort des Fortschritts war. Sie handeln ernst und augenzwinkernd zugleich von Aufbruch und vermittelt ein Gefühl für die Leichtigkeit des Leichten. Als wollten sie sagen, so schwer kann es doch nun auch nicht sein, ein bisschen Spaß zu haben, kommt mal alle mit! Don Marco  hat hiermit, unserer Meinung nach, eine Aussage gemacht, die in der gegenwärtigen Ära der rebellischen Frauen eher von weiblichen* Künstlern kommt. Weil da die Freiheit noch härter erkämpft ist und gegen mehr toxische Barrieren und Systeme durchgesetzt werden muss.

Dass Don Marco diese Dringlichkeit auch als Mann verspürt, ist umso genialer! Bay City Rollers und The Ramones lassen grüßen, und zwar in dieser Reihenfolge; fresh as it always was. Man kann die Lieder aber auch einfach gut hören, wenn man darauf wartet, dass  der Teekocher endlich explodiert oder der Dealer nicht rechtzeitig vorbei kommt (wie zu lesen war, gilt bei Dealern die derzeitige “Ausgangssperre” schon ab 21 Uhr).  Will sagen: Das Album “Gehst du mit mir unter?” läuft bei uns auf Dauer-Rotation, seit Weihnachten. Songs, die nach dem ersten Kick und der ersten Euphorie klingen, dem ersten Ärger auch, dabei top instrumentiert und umgesetzt. Und das Beste daran: kein bisschen konstruiert oder ausgedacht, sondern straight from the heart. Der fühlt das so. Und wir fühlen es auch. Der Typ ist echt nervös und zappelig. Dabei bringt er den Ball und den Endreim immer ins Tor.

Mit dem Geist der NDW und  modernem Indie-Rock & Folk- Songwriting, dabei sehr amerikanisch; westcoast, schon allein, weil der Don es schafft, die Wortkargheit eines Road Trips mit schönster Sprachgewandtheit rüberzubringen, und dabei aber doch immer an den richtigen Stellen Sätze mit Nachhall zu platzieren. Dazu passt zum Beispiel die sehnsüchtige Lap-Steel-Gitarre des Gitarristen Kristof Hahn (The Swans). Und eine von uns hat daraufhin angefangen sich mit der Möglichkeit zu beschäftigen selber Lap-Steel-Gitarre spielen zu lernen. Der Don selber schwört dazu auch noch auf das Omnichord, ein quiet unterschätztes, sehr hellfiepsiges Instrument, by the way, welches hierzulande nicht so populär ist wie z.B. in USA, Japan oder UK. 

Ansonsten: jede Menge Akustikgitarren, Piano, Melodica. Markus Nägele glänzt selbst an vielen Instrumenten (Gesang, E Gitarre, Akustikgitarre, Moogs, Harp, Handclaps) und astreinem Songwriting-Handwerk. Außerdem dabei: Tim Jürgens (Bass, Gesang),  Philip Bradatsch (Piano, Gitarre, Gesang), Kevin Ippisch (Gitarre, Gesang), Nick Buttermilch (Drums, Gesang), Bonifax Prexl (Keyboards, Piano, Gesang) und Stefan Kolbeck (Trompete.)  In der Münchner Livebesetzung spielen neben Bradatsch und Ippisch noch Maria de Val (Me & Marie, Angela Aux) die Drums, Teresa Staffler (Me & Marie, Drip) ist  an den Keyboards.

Der Titelsong “Gehst du mit mir unter?”, der in der Hookline durch den Satz “halb der Gürtellinie” ergänzt wird, klingt wie eine rockige Antwort auf  den Hit “Willst du?” des völlig ernsthaften Satire-Rapper Alligatoah, der auch eine Hookline hat, die für mich eine der Zeilen des vergangenen Jahrzehnts war: “Komm wir gehen/Komm wir gehen zusammen den Bach runter.” Und zeigt, dass die Rocksongs von Don Marco auch ins (vergangene) Rap-Jahrzehnt schwingen können. Das gilt auch oder gerade, weil hier Wut und Ärger nicht hoch, sondern lakonisch runtergekocht wird, ohne zu verrauchen.

Wen wundert es da, dass auch echte Balladen und wehmütige Melodien ihre ruppig-sanften Flügel erheben. In meinem Lieblingslied “Gestern Nacht” etwa:  “Wo war ich bloß gestern Nacht / Ich hab da was Komisches gemacht.”  Dann der  Song “Warten”, wer kennt das nicht?! “Und immer die Ausreden, ich hab`s nicht mitgekriegt, der Akku war leer, ach die Dinger, die taugen nichts, Könnt ihr mich nicht abholen, ich schaff`s sonst einfach nicht. Ja wir warten, ja wir warten, ja wir warten nur auf dich, bis du endlich mal hier bist.”

“Warten” widmet er dann auch gleich einem seiner großen Vorbilder für deutschsprachige Liedkunst, dem eingangs erwähnten Oliver M. Guz,  Sänger der Schweizer Band Die Aeronauten, der 2020 viel zu früh verstarb. Und wer bei “Warten” reflexhaft an “Waiting for the man” von The Velvet Underground denkt, wird auch nicht enttäuscht. Nicht nur, dass wir im Begleittext zur Single erfahren, dass dieser Song natürlich auch auf der “Warte-Song”-Playlist des passionierten Playlist-Erstellers Naegeles zu finden ist. 

Jetzt gibt es nämlich  die Feierabend- EP. Sie enthält  7 Demo- Songs und eine Coverversionen, die als Bonus-Tracks auf dem Album waren. “Feierabend” ist die nonchalante und wahrscheinlich “richtige” Übersetzung des Velvet Underground-Songs “Afterhours”, den wir alle so lieben. Ich glaube, das einzige VU-Lied, das Mo Tucker singt. Auf jeden Fall ist es für uns untrennbar verbunden mit der legendären Schlagzeugerin der Band. Und jetzt schafft Don Marco das schier Unmögliche, er übersetzt direkt und macht damit einen echt treffenden Corona-Kommentar zur derzeitigen, manisch-depressiven Phase der Corona-Pandemie. Musik zur Zeit:

” Wenn du die Tür zumachst / könnt die Nacht ewig dauern / lass die Sonne draußen und `sag hallo` zum Niemals / all die Leute, sie tanzen, und sie haben viel Spaß / ich wünschte, es passierte auch mir / doch wenn du die Tür zumachst / möcht`  ich den Tag nie wieder sehn. ..” Und dann: “Schenk nochmal ein, und trinke auf das Niemals.”

Wir trinken darauf, dass diese Platte möglich war und den Tag gesehen hat, und auf die tolle Zeit, die kommen wird, nach Corona, wenn wir alle  die 20er Jahre feiern wie nie zuvor. Wen wundert es, dass Don Marco & die kleine Freiheit bei unserem “Grether-Salon”- KRAWALLE & LIEBE vorbeischauen werden. Watch out, Folks!

“Gehst du mit mir unter”  von Don Marco & Die kleine Freiheit ist 2020 erschienen bei: off label records / Broken Silence

 

P.S. Dass Don Marco auch Dylan kann, zeigt er hier, zusammen mit seiner tollen Live-Band, in einer Coverversion von “I Want You”, die auch einfach zu berühren weiß. Anlass, natürlich der 80. Birthday der Rock-Ikone, der bevorsteht.