“Krise als Chance”: Beste Augenblicke von Bernadette La Hengst!

von Sandra

Heute gab`s eine Überraschung für mich auf Youtube bzw FB! Die großartige Musikerin Bernadette La Hengst veröffentlichte plötzlich das Video zu ihrem Song “Der beste Augenblick in deinem Leben” neu (von ihrem ersten Solo-Album 2002).

Dazu schrieb sie auf FB: ” Krise als Chance! Endlich Zeit für den Augenblick!!!! Hier kommt mein Video “Der beste Augenblick in deinem Leben” von 2002 in top Sound- und Videoqualität. Danke an Aram Lintzel fürs Erinnern.”

Me & La Hengst

2002, zu einer Zeit als  You Tube sich gerade noch selbst erfand und große (Indie-)Pop-Videos mindestens 100.000 Euro kosteten um dann, mit viel Glück  – und dem “richtigen” Geschlecht (jedenfalls bei deutschen Acts) eventuell –  auf Viva und MTV gesendet zu werden, hatte Bernadette La Hengst, die Meisterin des erhabenen Optimismus und Do-It-Yourself-Professionalismus, schon die Chuzpe einfach alles so zu machen, wie eine*r es heute, rund 20 Jahre später, im besten Falle, machen würde! Nur besser, of course! Denn aufwendig war es: Super-Regisseur organisieren (Props und Herz gehen raus an wonderful Oliver Husain aka “Die Produzentin” ), zehn blonde Perücken & Kameras beschaffen,  für Freund*innen und den Warhol-Effekt –  und dann mal zeigen, was eine alles so draufhat!

Es macht mich natürlich noch im Nachhinein  happy und stolz, dass ich auch beim Videodreh dabei sein durfte und darin zu sehen bin! Und guess who I am, unter all den blonden Perücken … als ich den Clip heute zum ersten Mal seit langem sah,  brauchte ich selbst ein paar Augenblicke, herauszufinden, wer ich darin bin … : ). Aber eigentlich auch egal,  ging doch darum dieses Gefühl zu performen:

“Der beste Augenblick in deinem Leben, ist nicht morgen, sondern grade eben!”

Und wer weiß, vielleicht war das ja einer dieser Augenblicke, Glückstage, dieser Videodreh… Ich erinnere mich an glückliche und aufgeregte Stunden, die Sonne schien (und das in Hamburg!)  und wir waren auch ein bisschen nervös, während wir uns alle in La Hengst verwandelten… Man hatte noch sehr viel Scheu und Respekt vor so einer  Kamera, generell vor dem Format “Video”. Ich erinnere mich an eine Anweisung: wir sollen mit der Kamera spielen, an ihr rumdrehen und so, also tun, als  ob wir ganz damit beschäftigt wären – und das passte, das waren wir wirklich! In these times vor Selfies und so. Während man uns filmte, sollten wir  diejenigen sein, die Bernadette La Hengst filmen… Die anderen Warhol-Superstars, by the way,  waren Andrea Rothaug, Angela Richter, Ted Geier, Conny Lösch u.a. Alles Freund*innen von der großen Hengst.

Denn natürlich hatten wir  vor allem viel Respekt vor diesem großen Lied und seiner  Schöpferin: so befreit,  so klug und voller Elan; mit den Mitteln von so etwas wie weitgehendst elektronischem Retro-Soul. Bernadette hatte sich nicht nur Gitarrenskills draufgeschaufelt gehabt, wofür ich sie sehr bewunderte, sondern dann auch noch das “Beat”-Ding, sie war die Melbeaz der Hamburger Schule… Einzig, die Warhol und La Hengst-Assoziation war bei den Bewohner*innen des Hafenstraßen-Viertels nicht jeder gegeben. Ich erinnere mich: eine Passantin kam vorbei und fragte, was`n das für eine “Heino-Party” sei 🙂 …

Fun Fact und apropos “Beat-Ding” und Melbeaz: im November desselben Jahres, 2002, veröffentlichte der bis dato eher noch unbekannte Rapper Kool Savas sein erfolgreiches Debut-Album “Der beste Tag meines Lebens”, in dem er Leuten Mut macht, auch mal genau hinzuschauen, was eigentlich gerade gut läuft, und so. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kool Savas La Hengsts Lied kannte, als er seinen gleichnamigen Hit schrieb, ist natürlich eher gering… Die Idee, den Moment zu feiern, ist in der Popmusik beliebt und kann aus den unterschiedlichsten Richtungen kommen.

Erst diese Woche, bei den sogeannten “Deutschpoeten” von Radio Fritz wurde dieser Savas-Song gespielt, schlimm ist indes, das bei den “Deutschpoeten” mal wieder zu 95  % männliche Acts im Programm waren, und auch wenn das in einer Welt, in der viele Millionen von Menschen nicht  kranken-versichert sind, ein Witz ist  –  völlig egal ist es auch nicht, dass man mal so eben einer gesamten Berufsgruppe, nämlich der der Musikerin in Deutschland, das Airplay nicht gönnt, das man ihren männlichen Kollegen ständig völlig selbstverständlich zukommen lässt.

Noch dazu, wo die ca sieben-stündige Sendung von der Feministin Salwa Houmsi moderiert wurde. Lustiger-und dankenswerterweise gehört sie ja zu den wenigen Fritz-Moderator*innen, die das Wort “Deutschpoeten” gendern, scheinbar aus feministischen Gründen sprach sie auch manchmal den Unterstrich nicht mit, also machte die kurze Pause nicht. Mit dem bezeichnenden Nebeneffekt, dass stundenlang eine Sendung moderiert wurde mit “Deutsch-poetinnen,” aber mit ganz wenig Ausnahmen ( Wir Sind Helden “Müssen nur Wollen” und so) gar keine “Deutsch-poetinnen” gespielt wurden.

Mehr zu dem Thema “Musikerinnen in Deutschland” hat Kerstin im Outro der aktuellen Anthologie “These Girls” formuliert, ihr könnt es hier nachlesen. 

Aber das passte total  gut zum Oster-Sonntag auf Radio Fritz: “Suche die Poetin im Programm, wie ein nicht lieferbares Osterei…”  Und natürlich haben sie auch Bernadette La Hengsts “Der beste Augenblick in deinem Leben” nicht gespielt.  Mal davon abgesehen, wie gesagt,  dass der Begriff “Deutsch-Poeten” und der links-bohemistische  Hamburger “Buttclub” (of Hafenstraße-Fame ) sich nicht gerade vertragen…

Ob das Video damals eigentlich mal eine “Heavy Rotation” hatte, wollte ein Fan auf der FB Seite der umtriebigen Sängerin wissen. Natürlich nicht, wo in Herrenmenschendeutschlands Namen soll denn so was wie die Rotation einer  hochtalentierten Pop-Musikerin aus Hamburg/Berlin, die ihre Lieder selber schreibt, denn stattgefunden haben? Im Fernsehen? Im Radio? Auch in den alternativen Programmen liefen damals (aus diesem Kontext ) nur Blumfeld, Rocko Schamoni, Die Sterne und so, rauf und runter.

Aber hey, woher wollen die Fritz-Musikredakteur*innen  und all diejenigen, die so wahnsinnig konsequent sind, wenn es darum geht, female* artists  zu ignorieren, eigentlich wissen, dass sie den besten Augenblick in ihrem Leben nicht einfach verpasst haben…?  🙂

Dafür lief La Hengst dann neulich auf “RadioEins”, als sie ein Balkon-Konzert spielte, es gibt also doch noch Hoffnung auf beste Augenblicke…