“Die Leute verstehen „Privileg“ immer als einen Vorwurf!” Katja Lucker und Achan Malonda im Gespräch

“Zwölf Männer und Katja Lucker”

Wir freuen uns sehr über dieses Gespräch, das Achan Malonda uns für den Blog geschickt hat:

Anlässlich eines Leitartikels in der “Musikwoche”, in dem Katja Lucker als „Quotenfrau“ unter zahlreichen einflussreichen Männern in der Berliner Musikindustrie fungiert, haben sich Katja Lucker und Achan Malonda zum  Gespräch getroffen.

Katja Lucker ist die Geschäftsführerin des Musicboard Berlin (u.a. Pop-Kultur Festival). Achan Malonda ist eine in Berlin lebende Musikerin. Unter dem Namen MALONDA hat sie 2019 ihre Debüt-EP„Mondin“ veröffentlicht. 

 

 

Katja Lucker: Letztes Jahr bei Pop-Kultur haben so ein paar wirklich lustige Journalisten – alles weiße Männer – hinterher geschimpft, warum wir das mit „Frauen*“ und „queer“ und „Person of Color“ in der Rede nochmal so betont hätten. Nach dem Motto, „Es reicht ja jetzt auch mal!“. Nicht die Diskriminierung, sondern dass wir darüber reden. Am Arsch!

Achan Malonda: (Lacht)

K: Es ist ihnen zuviel, wir sollen aufhören zu nerven, es reicht ihnen! Ganz ehrlich, genau deswegen müssen wir es so betonen.

A: Weil’s eben noch nicht reicht.

K: Und deswegen zähle ich immer. Weißt Du noch, bei diesem einen Panel zu Kultur- und Musikthemen kurz vorm Weltfrauentag, wo dann nur Männer auf der Bühne saßen?

A: Es reicht eben erst, wenn diese Zustände nicht mehr so sind.

K: Deswegen ist dieses Blatt (zeigt auf die aktuelle Ausgabe der Musikwoche) so gut, weil es das so zeigt.

A: Zwölf Männer und Katja Lucker.

K: Es spiegelt ja nicht die Realität wider. Dann sagen die ja wirklich, wen hätten wir denn da jetzt fragen sollen? Wenn sie mich gefragt hätten, hätte ich ihnen ganz viele gesagt.

A: An welchen Frauen kommt man denn gar nicht vorbei, wenn man über Musik in Berlin reden will?

K: Anne Haffmanns. Tina Funk.

A: Sina Wahnschaffe.

K: Melissa Perales und Andrea Götzke vom Torstraßen Festival. Charlotte Goltermann. Désirée Vach. Tina Adams. Anna von Springstoff. Sybil, die Geschäftsführerin von der Max-Schmeling-Halle. Gestern habe ich eine tolle Frau kennengelernt: Die Nicky [Anguwa], die ist bei Beatport. Macht da das ganze Management und war früher bei K!7. Und dann gibt es ja auch so viele Musikerinnen…

A: Kat Frankie – an ihrem Profil kommt man auch nur sehr schwer vorbei.

K: Es gibt ja diesen Running-Gag. Kat Frankie sollte damals ein Festival moderieren, und dann waren nur Männer im Line-Up und sie hat abgesagt und das öffentlich gemacht. Natürlich waren alle wieder furchtbar sauer und seitdem heißt es „Wir haben ja BOY gefragt, aber die konnten nicht“.

A: Traurig.

K: Ich glaube, wir ändern das gerade. Wir hatten bei uns auf dem Festival ja so ein geiles Panel „Softly taking over“ mit Leyla Yenirce aus Hamburg.

A: Das kam sogar in Hamburg im Radio.

K: Leyla ist auch so eine Frau, die mehrere Kollektive hat… ich glaube, wir bewegen uns ein kleines bisschen in eine positivere Richtung. Man darf ja auch nicht vergessen, dieses Magazin spiegelt vor allem Musikindustrie der Major wider, aber die Welt funktioniert mittlerweile schon ein bisschen anders.

A: Es ist auf jeden Fall bezeichnend, dass sich diese sterbende Kultur auf dem sterbenden Medium Print versammelt. So eine Art letztes Aufbäumen der alten patriarchalen Struktur.

K: Es müssen noch mehr diverse Menschen in diesen Abteilungen (zeigt auf das Magazin) vertreten sein, dann ändert sich da auch was.

A: Es gibt jüngere Frauen, die erzählen mir, dass Feminismus nichts mit ihnen zu tun hat.

K: Das kenne ich auch.

A: Dann sage ich immer, das hat alles damit zu tun, dass Du heute die Rechte hast, die Du hast. Dafür haben sich Feministinnen früher eingesetzt. Das bereitet mir ein bisschen Sorge, dass die Geschichte verloren geht.

K: Ich weiß, ich bin eine privilegierte weiße Frau. Punkt. Die Diskriminierung, die Du erlebt hast, habe ich so noch nicht erlebt. Die Diskriminierung, die mir widerfahren ist, kennt ein Cis-Mann nicht. In einem Interview habe ich gesagt, dass man nicht immer nur von einem weißen Feminismus ausgehen kann, sondern über noch viel mehr reden muss und mein Privileg natürlich eine Bedeutung hat. Und dann hat sich eine Frau in einem rechten Blog darüber aufgeregt, wie man soviel Ideologie in einen Satz packen könne.

A: Die Leute verstehen „Privileg“ immer als einen Vorwurf. Aber es geht ja nicht darum, dass man im Leben noch keine Diskriminierung erfahren hat. Sondern nur, dass es Situationen gibt, in denen man nichts weiter tun muss, außer davon zu profitieren, dass man z.B. ein weißer Mann ist und ins Bild passt. Ich kann ja auch über Trans-Diskriminierung nicht so richtig schlau mitreden und muss zuhören.

K: Es wäre irgendwie schön, wenn die Leute manchmal einen kleinen Schritt zur Seite treten könnten, um sich erstens in die Situation von anderen zu versetzen und auch das Ego zurücklassen. Hab ich dir ja erzählt, dass nach einem Panel mal eine POC zu mir kam und mich um Hilfe gebeten hat? Ein Typ hat zu ihr gesagt, es gäbe keinen Rassismus in Berlin und so eine schöne Frau wie sie würde mit Sicherheit nicht diskriminiert werden.

A: An dieser Situation ist ja echt alles falsch! Dann kannst du das aber als ein Riesen-Kompliment betrachten, dass diese Frau zu dir kommt, weil sie meint, dass du in der Lage bist dieses Thema anzusprechen und ihr zu helfen.

K: Ja, auf dem Panel hatte ich was zu dem Thema gesagt.

A: Da wurde dir eine ganze Menge Credibility zugesprochen. Du bist ein Ally. Das kannste auch mal so annehmen, das ist schon cool.

K: Und dann noch so ein anderer Typ, der sich Abends hinsetzt und lange Briefe an den Kultursenator schreibt und sich darüber aufregt, dass das Musicboard nur Frauen und Ausländer fördert. Der hat gesagt, ich sei eine radikale Feministin.

A: Ein schlimmes Schimpfwort.

K: Dann hat er das bewiesen und Zitate von mir rausgesucht. Und dann hat er sich die Künstler*innen angeschaut, die wir fördern und deren vermeintliche Herkunft dahinter geschrieben.

A: Und ich komme aus diesem Land namens Afrika.

(Beide lachen)

K: Da stand Professor vor seinem Namen.

 

 

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