Feline Lang über Männer und Technik – und wie es nervt bei jedem einzelnen Soundcheck den Livemischer davon zu überzeugen, dass eine weiß, was sie tut!

Feline Lang ist Opernsängerin, Schauspielerin, Regisseurin und Tangosängerin und macht die WaveCabaret-Band „Feline&Strange. Sie hat schon mit Dresden Dolls Produzenten Jason Rubal und deren Schlagzeuger Brian Viglione gearbeitet.  Für “Ich brauche eine Genie” hat sie diesen blitzgescheiten, berührenden und beunruhigenden Text geschrieben!

Mehr Infos zu ihrerm Werdegang und ein paar ihrer nicht minder turbulenten Songs/Videos findet ihr unter ihrem Essay.  Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Lesen ihres textlichen Feuerwerks!

Frauen im Pop und Rock. Yay! Es ist großartig, in einer Zeit zu leben, wo ich das einfach machen kann. Mich auf allen Festivals bewerben (wenn auch nicht spielen). Mit anderen frauengeführten Bands touren. Einen Club den ganzen Abend rocken, ohne mich auszuziehen (das tu ich zwar manchmal trotzdem, aber das ist ein anderer Text).

Trotzdem sind wir noch lange nicht da, wo wir sein sollten. 2019! Echt jetzt?!

Ich muß mich manchmal selber dran erinnern, an wie viel ich mich gewöhnt habe. Und was alles so normal ist. Und ich betone, daß ich es fast ausschließlich mit Leuten zu tun habe, die schätzen, was ich tue, und definitiv kein Problem damit haben, daß ich eine Frau und Bandleaderin bin. Ich spreche von all dem, was noch tief drin sitzt. Was angelernt ist und ganz, ganz schwer rauszutrainieren ist. Bei Männern, Frauen und allen anderen.  Also, wie läuft so eine Show für mich ab?

Wer spricht mit mir?

Woran ich bin, das merke ich eigentlich immer recht schnell daran, ob jemand mit mir spricht. Und wann.

Ich bin hier die Chefin. Das ist ganz klar, daran gibt es keinen Zweifel, das sieht auch so aus, sowohl off- als auch online. Meine Band trägt meinen Namen, ich schreibe die Songs, ich singe lead, ich inszeniere die Shows. Mein Name steht im Impressum unserer Webprofile. Ich antworte auf Kommentare. Und ich schreibe Bookinganfragen und kläre alle Details. Ein No-Brainer, oder?

Dann kommen wir irgendwo an in einem Club oder auf einem Festival und versuchen, uns zurecht- und die technisch Verantwortlichen zu finden. Wir, das sind* Feline&Strange, ich, Feline Lang, und mein Bandkollege am Cello, Christoph Klemke. Der übrigens auch ein saumäßiges Englisch und so gut wie keine weiteren Fremdsprachen spricht oder versteht.

Also, wir treffen gemeinsam auf den/die Techie vom Dienst und ich stelle mich und Christoph vor.

Mögliche Szenarien:

a) Der/Die Techie antwortet mir, begrüßt uns beide, und klärt dann die technischen Fragen mit mir, idealerweise anhand unseres Techriders.

b) Der/Die Techie antwortet mir, begrüßt uns beide, und driftet dann im Gespräch immer wieder zu Christoph, stellt ihm technische Fragen, die ich dann beantworte, merkt das eventuell, wenn Christoph zum dritten Mal darauf hinweist, daß er keine Ahnung hat, was für heute geplant ist, und das bitte mit mir besprochen werden soll.

c) Der/Die Techie antwortet CHRISTOPH und versucht dann konsequent, alle Fragen an ihn zu stellen, ungeachtet dessen, wie oft ich diese Fragen beantworte und wie oft Christoph an mich verweist.

Tatsächlich macht es kaum einen Unterschied dabei, wes Geschlechts der/die TechnikerIn ist.**

Wohl aber der Kontext.

a) passiert hauptsächlich in Punkläden oder generell kommunengeführten Venues. Liegt vielleicht daran, daß in den meisten dieser Art ein Großteil der täglichen Organisationsarbeit ohnehin von Frauen getragen wird und es daher schon längst tief eingebrannt ist, daß Frauen Ahnung haben können. Höchstens bei Technikfragen wird es dann noch Verirrungen geben. Das hab ich so erlebt in Berlin, in Rom, in Schottland, in den USA, ganz egal.

b) passiert in sich für äußerst emanzipiert haltenden Kreisen und Gegenden. Im Großteil Deutschlands, egal ob Nord oder Süd. Im United Kingdom, egal ob London oder Llandrindod. In Frankreich. Was dahinter durchschimmert: Klar wissen wir, daß Frauen bestimmen und Ahnung haben können. Wir finden es auch voll ok so, vielleicht sogar gut. ABER: wir haben uns noch nicht dran gewöhnt. Denn wir sind nicht damit aufgewachsen, und in unserem Umkreis ist es die Ausnahme.

c) brauche ich nicht weiter ausführen – oder? Ja, es gibt sie, die Techies, die Organisierenden, die der Meinung sind, ohne Männer könne das nicht gut gehen. Und klar merke ich das auch am Booking. Aber wenn wir schon als feministischer Act gebucht sind und dann so eine du-hast-Titten-statt-Ahnung-Situation entsteht, wird es sehr schnell merkwürdig. Geradezu tragikomisch, wenn Christoph die Frage nicht mal versteht. Und daraus wird dann schnell tragisch, wenn ich hinterher erfahre, daß man über uns als „die Deutschen, die kein Englisch/Spanisch/Französisch können“ redet. Und das, nachdem wir eine mehrsprachige Show abgeliefert haben.

Was ich daran traurig finde, ist vor allem genau das: diese Lernresistenz. Mit mir zig Mails ausgetauscht – nix gelernt. Zehnmal „red bitte mit der Chefin“ – nix gelernt. Die Show gesehen – nix gelernt.

Ihr dürft jetzt mal raten, was wie häufig ist. Naaa? So auf meine letzten 100 Gigs gerechnet?

Klar, b) führt und a) verliert. Daß nicht c) „gewinnt“, liegt aber auch an den Läden und Festivals, wo wir spielen. Überwiegend alternative Szene. Da sind viele Frauen in der Orga unterwegs, und man gibt sich meist liberal und modern. Ist ja schön, daß Gleichberechtigung da dazugehört. Nützt aber nix. Dann, Leute, will ich nämlich a), bitteschön.

Sobald wir aber in „normalen“ Rockläden spielen, z.B. bei einer Tour durch eine Region, wo wir alles mitnehmen, was wir kriegen können, übernimmt ganz schnell c) die Führung.

Daß in konservativeren Gegenden c) führt, habt ihr gedacht? Falsch. Insbesondere im britischen Kulturkreis ist an kleineren und ländlichen Orten die Höflichkeit da doch stärker. Man schaut sich da auch mehr an beim Reden als in Deutschland – da fällt es auch der dümmsten Person auf, wenn jemand anders antwortet. In Deutschland ist es aber ganz klar mehr ein Ost-Ding. Was mich persönlich (als Wessi) überrascht – die DDR war ja viel gleichberechtigter organisiert als die BRD.

Und was sagt uns das?

Na, daß die Emanzipation noch lange nicht weit genug gegangen ist. Daß guter Wille allein nicht reicht. Daß Quotenregelungen eben doch wichtig sind, und wenn nur, damit sich alle dran gewöhnen. Daß Diskriminierung noch viel zu normal ist. Im Gegensatz zu einer Frau als Chefin eines Mannes. Zu einer Frau, die technisches Wissen hat. Und Ahnung von Musik.

Wo das den meisten Schaden anrichtet?

Ganz klar – beim Sound. Ich bin den Kommunikationskram ja gewohnt – ich kann stundenlang auf an Christoph gestellte Fragen antworten. Ist mir, na ja, nicht egal. Aber es ist verschmerzbar, solange das Ergebnis stimmt.

Daß aber Techies -und hier kann ich leider nur von Männern berichten, da Frauen am Pult einfach extrem selten sind, also: Techniker – in mindestens 70% aller meiner bisher gespielten Shows, egal ob solo oder mit Band, der Meinung sind, ich hätte keine Ahnung von meinem eigenen Equipment, geschweige denn von meinem Sound, und meine Anweisungen bestenfalls ignorieren, meist aber nach Gutdünken verschlimmbessern, ist nicht nur eine Unverschämtheit. Manchmal grenzt es an Körperverletzung. Zu laute oder während der Show verstellt Monitore, zu leise Vocals, zuviel Billignebel, zu leise Bässe – sowas führt gern mal nicht nur zu einer wirklich mies klingenden Show, die uns wie Amateure aussehen läßt, sondern auch zu Folgeschäden wie Hörprobleme, Heiserkeit oder überanstrengten Muskeln.

Klar, diese Probleme kennen alle Musizierenden.

Klugscheißernde Techies, auwei. Und noch schlimmer, die, die nix sagen, sondern einfach machen. Aber, liebe männliche Kollegen, könnt Ihr Euch wirklich vorstellen, bei JEDEM. EINZELNEN. GIG. das Techniktier zunächst überzeugen zu müssen, daß Ihr Euer Instrument richtig rum haltet? Daß Ihr gar noch Ahnung habt, wie es verkabelt werden soll? Oder, bewahre, sogar, wie es KLINGEN soll?

Dazu kommt noch, daß Männer und Frauen eben doch nicht gleich sind.

Nur gleich gut sein können! Bei jedem Gig, und ich meine 100%, egal wie gut, feministisch und offen der Techniker ist, muß ich um den Frauen-Sound meiner Stimme kämpfen – viel Punch in der Mitte, Bässe raus (das poppt nur Atemgeräusche auf und macht mich kurzatmig), Höhen dezimieren (das zischt bloß in den Konsonanten), vom Kompressor fang ich mal gar nicht erst an. Entweder ich werde wie ein Mann gemischt, der eher Randfrequenzen braucht und Enhancing – das ist meist das Einzige, was jemand über Vocalmixing überhaupt gelernt hat, und ich kann es daher nicht mal wirklich übel nehmen – oder man meint es „gut“ und denkt sich, ist ja ne Frau, packen wir mal ordentlich Höhen rauf und drehen den Rest runter. Oder schlimmer, man zieht die Bassfrequenzen rauf, damit es dunkler klingt – was kompletter Quatsch ist, denn da unten gibt’s auch bei Männern nur noch Konsonanten. Vereinfachte Darstellung, ist klar, aber das erklärt das Ergebnis sehr gut: Frauen klingen auf den meisten Bühnen dann eben piepsig wie kleine Mädchen, oder einfach nach Nichtskönnerinen, weil man nur noch ihre Atemgeräusche übers Mikro hört. Es ist zum KOTZEN. Bitte, liebe Tonleute, GEBT.UNS.MITTEN.

(Disclaimer: ich bin Opernsängerin. Und habe jahrelang neben dem Singen unterrichtet, auch Mikrofonsingen für Bühne und Studio. Ich WEISS, wovon ich rede. Und wenn ihr´s immer noch nicht glaubt, sperrt doch einfach mal die Ohren auf.)

 

Foto: Keith Eglon

Für uns Musikerinnen ist das alles normal.

Und wenn dann bei zehn Gigs drei Gestalten dabei sind, die zuhören, und nur eine, eine einzige, die auch macht, was wir wollten – dann danken wir der Göttin auf Knien.

Techiesprüche zu mir/über mich, O-Ton:

Keine Sorge, ich laß dich schon gut klingen.“

Hast du das Keyboard angeschaltet?“

(an Christoph) „Kuck doch mal, ob das Mikro deiner Kollegin angestöpselt ist.“

Du mußt halt weiter vom Mikro weg.“

Ich weiß nicht, warums koppelt, das muß dein Mikrofon sein.“

Ich hab den Kanal mal ausgemacht, ich dachte, das war ein Störgeräusch.“ (ergo fehlt dann ein Instrument. Den ganzen Abend.)

Ich kann dir da ja noch Effekte draufpacken.“ (nicht daß ein NEIN irgend etwas bewirken würde)

Ich glaube, dein Computer ist kaputt.“

Ja klar, ich hab am Monitor ja noch rumgeregelt, damit du lauter/leiser/schöner singst.“ (wer selbst singt, weiß: TODsünde, die üblicherweise Stimmprobleme nach sich zieht. Den Monitor darf man nach dem Soundcheck nur noch anfassen, wenn die Singenden das ausdrücklich wünschen. Gilt auch für Instrumentalisten, natürlich.)

(zu Christoph) „Singt die immer so laut oder nur beim Soundcheck?“

Nimm lieber mein Kabel/DI-Box/Stromverteiler/….“

Ich hab auch ein Keyboard da, willst du lieber das nehmen?“

Wer macht denn deine Backingtracks?“ (ich natürlich – ich steh ja auch nur hinter dem Computer)

(an Christoph) „Euer Computer ist zu laut.“

Hast du die Backings auch auf CD? Ich kann die doch für dich fahren, dann brauchst du dich nicht drum kümmern.“ (ernsthaft jetzt – nachdem ich 5 Minuten lang meine Controller verkabelt habe? Ach ja, und unsere Show kennst du auch, hm? Auswendig?)

Die besten hab ich wahrscheinlich noch verdrängt…

Ich persönlich gehe nur noch mit Pre-FOH-Vocalmix und Personal Monitoring auf die Bühne. Heißt nicht, daß unser Sound unten immer gut wäre. Heißt auch nicht, daß die Bühnenmonitore wirklich immer aus sind. Heißt auch nicht, oh nein, daß ich nicht jedesmal noch 10 Minuten Extraüberzeugungsarbeit leisten müßte, um mein System dann auch verwenden zu dürfen (dafürdauert der Aufbau plus Soundcheck dann nur 20 Minuten). Aber meinen Ohren passiert nix mehr, und ich höre wenigstens alles, was ich will. Wenn auch nicht das Publikum.

Wenn Ihr Euch also wirklich wundern solltet, warum so wenige Frauen wirklich groß werden in der Popmusik:

fragt doch mal die Tonleute.

*oder besser: waren, denn seit wenigen Wochen erst haben wir die Drummerin oder besser Drummess Rah Fookinhell an Bord! Mal sehen, wie sich das nun entwickelt.

**Allerdings muß ich anmerken, daß meine Statistik dadurch eingeschränkt wird, daß in mindestens 90% der Fälle der Verantwortliche männlichen Geschlechts ist.

Feline Lang ist Opernsängerin, Schauspielerin, Regisseurin und Tangosängerin: Um endlich alles gleichzeitig machen zu können, hat sie 2009 die WaveCabaret-Band „Feline&Strange“ gegründet (Feline: voc, piano, synths, Christoph Klemke: cello, percussion) und mit dieser nunmehr 5 Alben veröffentlicht, drei davon in den USA, dem Ruf von Jason Rubal folgend, der unter anderem Amanda Palmer, Bitter Ruin, Garbage und birdeatsbaby produzierte, und mit „Dresden Dolls“-Drummer Brian Viglione an Schlagzeug, Mikro und Mülltonne. Feline&Strange spielen in D, UK, IT, FR. NL, BL und den USA, kooperieren dabei gern, u.a. mit birdeatsbaby aus Brighton mit Touren und Songproduktionen. Seit Ende 2018 arbeiten sie ihre neue Drummerin Rah Fookinhell ein und sehen einer wilden neuen Saison entgegen. Veröffentlicht wird seit OUT (2017, gefördert vom musicboard Berlin) nur noch auf Patreon.

 Megageile Songs und Videos: “Crazy und scary” – zwischen Genie und Wahnsinn. Die deutsche Antwort auf Amanda Palmer und Kate Bush (natürlich alles andere als “Deutsch”:).  Und sehr sehr eigen! We love it!

 

 

Foto: Christina Bohin

Beitragsfoto made by Sven Hagolani