Glänzen statt Ausgrenzen! Ein Beitrag von Bernadette Hengst über die Gegendemonstrationen zur AfD!

DAS STATEMENT DER WOCHE kommt von BERNADETTE HENGST, die diesen tollen Beitrag für uns verfasst hat!

Ihr wollt das Volk sein? Häh? Wir sind die Vielen!

Seit Monaten haben wir das vorbereitet. Wir? Wer ist das? Die Vielen. Und wer sind die Vielen? Geht es um Quantität oder um Diversität?

Ich hab mich längst innerlich für Diversität entschieden, denn sonst geht es tatsächlich nur um Platzhirscherei. Die Massen schreien die anderen Massen an.

Aber wie man gestern auf Berlins Straßen und zu Wasser gesehen und gehört hat: Die Massen auf den Straßen zu mobilisieren, hat auch eine enorme Kraft. Von der Glänzenden Demo über die Clubszene (Bass gegen Hass) bis zur Bootsdemo waren es insgesamt zwischen 25.000 bis 70.000. Wie immer schwanken die Zahlenangaben. Allerdings waren die AfD Hanseln nicht mehr als 5000, und viele davon wurden anscheinend aus anderen Städten mit Geld angelockt.

Gegen die AfD, was bedeutet das? Gegen die Afdisierung der Gesellschaft. Die CDU/CSU macht genau dasselbe in der Flüchtlingspolitik, will wieder Identitätspolitik machen, um die noch Rechteren zurück zu holen. Und die Linke versucht es zum Teil auch.

Also was hilft? Welche Art von Aktivismus ist der richtige?

Glänzen statt ausgrenzen! war unser Motto. Die Vielen ist ein Zusammenschluss aus Theatermacher*innen und anderen Künstler*innen der Stadt. Zu unserem Aufruf haben sich sehr viele Theater, Gruppen und Institutionen zusammen geschlossen. Von den Sophiensaelen und dem HAU bis zum Gorki und DT. Auch die Akademie der Künste war dabei, und Kathrin Röggla von der AdK hat neben Shermin Langhoff vom Gorki Theater eine sehr bewegende und kluge Rede gehalten. Auffällig: Viele Frauen als Redner*innen. So soll es sein!

Auf dem Lautsprecherwagen habe ich dann u.a. mein neues Lied „Wir sind die Vielen“ gespielt, das ich extra dafür geschrieben habe. Bzw. eigentlich nicht extra dafür, denn da war die Demo noch gar nicht geplant. Es ist manchmal komisch, was mit der Kunst passieren kann.

Ich schrieb das Lied aus einer inneren Dringlichkeit, wie ich das schon lange nicht mehr hatte. Dieses Lied musste raus, raus in die Welt. Dabei ist es eher wie ein Zwiegespräch mit mir selbst. Ich war etwas unsicher, was ich genau sagen will, aber letztlich geht es immer um Empowernment, darum, sich nicht die eigenen Werte streitig machen zu lassen, die Begriffe „Alternativen“, „Avantgarde“ oder „Gutmenschen“ nicht von den Rechten wegnehmen zu lassen, sondern selber Utopien schaffen, Freiräume schaffen, Grenzen öffnen, eine multikulturelle Gesellschaft leben und nicht nur im Internet behaupten.

Erst gestern morgen kam ich zurück aus Dresden, wo ich beim New Dresden Festival des Montagscafés im Staatsschauspiels Dresden mitgemacht habe. Dort bin ich seit einem halben Jahr regelmäßig und schreibe mit den Geflüchteten und Dresdner*nnen Songs über das Dresden der Zukunft. Ein Song, den wir dann im Chor zusammen gesungen haben, hieß: Kommt alle rein! Lasst uns nicht allein! New Dresden!

Ein anderer Song heißt: Wir tauschen uns aus! Und es gibt diesen Austausch dort tatsächlich.

Hier ein kleiner Auszug:

Ein Kurs für Käse Herstellung

und ganz umsonst Umarmungen

Kostenloses Programmiern,

ich suche Aufenthalts Papier.

Wir tauschen uns aus:

Für eine bessre Welt, Wir tauschen uns aus

grenzenlos, ohne Geld, Wir tauschen uns aus

jede gibt was sie kann, Wir tauschen uns aus

für einen Neuanfang, Wir tauschen uns aus

für mehr Lebendigkeit, Wir tauschen uns aus

in dieser dunklen Zeit, Wir tauschen uns aus

für eine Utopie, Wir tauschen uns aus

und für dich mein Habibi!

 

 

 

Es war ein ganz großartiges Festival mit verschiedenen Workshops, gemeinsamem Kochen und viel Musik. Der grandiose Musiker Ezé Wendtoin (https://www.youtube.com/watch?v=H_lfVO2r0Ps) aus Dresden/Burkina Faso war auch dabei. Er spielt bei La Banda Internationale, einer Dresdner Brassband, die u.a. mit Geflüchteten zusammen auf Demos spielen. Eine unglaublich kraftvolle Art, den neuen und alten Rechten etwas entgegen zu setzen.

Darum geht’s. Und hier kommt der Text meines Songs „Wir sind die Vielen“, zu dem die wundervollen www.futurzwei.org mich beauftragt haben, ein Video zu drehen, das dann irgendwann im Sommer zu sehen sein wird.

Jetzt erst recht!

Ich lass mir doch von diesem Scheiß nicht den Spaß vermiesen.

Ich lass mir doch von euch nicht das Glück verbieten.

Jetzt erst Recht!

Und mir wird schlecht, wenn ich daran denke,

dass wir alle nur noch online liken,

anstatt eine andere Welt zu verbreiten.

Geht auf die Straße, zeigt euer Gesicht!

Jetzt erst Recht!

Mein Vater nannte mich sein „Aber trotzdem Kind“,

Und so bin immer noch, mit den Haaren im Wind,

lass mich nicht verdrehen, und ich möchte verstehen,

wie die anderen ticken,

und die Nazis in andere Länder schicken?

Die armen Länder. Da werden die sich auch nicht ändern.

Und wenn ihr Sehnsucht habt nach Gemeinschaft, mal ein Vorschlag:

Gründet mehr Bands, da lernt man sich kennen. YEAHH!

Jetzt erst jetzt!

Dafür braucht ihr keine Militärsportübungen im Wald.

Geht lieber auf Tour, da werdet ihr nie alt! —– Aha!

Pistolen zu Triolen, Gewehre zu Gitarren,

anstatt Hassparolen: Lieder zu Waffen!

Und all die schönen Dinge: lass ich mir von euch nicht vermiesen!

All meine Werte: lass ich mir von euch nicht verbieten!

Ihr wollt das Volk sein? Häh?

Wir sind die Vielen!

Aber wer ist eigentlich dieses verdammte Wir? Mhhhhh…

Das ist auch nicht mehr

wie vor 20 Jahren, wie vor 30 Jahren,

wie vor 40 Jahren, als wir noch Kinder waren.

Aber da ist doch noch ein Wir?

Die Sitzenbleiber, und die Zeitvertreiber,

Die Genießerinnen und die Umverteiler,

die Vertriebenen und die Philosophen,

die Liebenden und die Grenzenlosen,

die Visionären und die Hoffnungsvollen,

die Gutmenschen, die die was ändern wollen,

die Alternativen und die Avantgarde,

und die eigensinnig Einzelnen mit ihrer eigenen Art:

Wir sind die Vielen!

Wir sind die Vielen!

Foto Bernadette Hengst: Stephanie von Beauvais