Pink, Kylie Minogue, X-Tina, Britney Spears, Sugababes Kelly Osbourne, Madonna. Was taugen unsere Teen-Idole?

Die schönste Nebensache der Welt

 

Es ist auch schon wieder drei Jahre her, daß ich das vermeintliche Vergnügen hatte, Britney Spears in persona zu treffen. Seitdem haben singende Zuckerschnuten noch mehr an Einfluß gewonnen. Die Pop-Sängerin an sich ist das Ideal der Stunde. Im Modell »soulige Pop-Sängerin« kommen die beiden unterschiedlichen Frauen-Ideale der 90er Jahre – die Fremdbestimmtheit des Super-Models und die Do-it-yourself-Gewißheit der Rock-Sängerin – zusammen. Und es gibt nur ein Entgegenkommen, kein Entkommen. Deshalb sind die Casting-Shows so ungeheuer beliebt und können zur unhinterfragbaren Benimm-Fibel werden. Wenn das Model die Rocksängerin küßt, kann die nächste logische Forderung nur sein, echte Kreativität einzufordern! Am besten gleich mal bei den Gesangsdienerinnen selbst. Pop-Sängerinnen verkörpern Macht, weil aus ihnen die Herrschaft der Verhältnisse spricht. Und auch Ohnmacht, weil sie diese Herrschaft nicht selbst definieren können. Und Spannung, weil sie je nach Typ, die ganze Zeit versuchen, in dieses Spannungsfeld so viel wie möglich von sich selbst einzubringen. Deshalb hier:

 

Die ganze Wahrheit über kontemporäre Teen-Idol-Huberei: Was taugen Teen-Ikonen in Bezug auf …

 

Sugababes

 

Feminismus/Humanismus Wenn das Leben aller Menschen so angenehm wäre wie ein Sugababes-Song, könnte man die Begriffe Humanismus/Feminismus glatt streichen.

 

Madonna-Nachfolge oder Kelly-Osbourne-Style? Für diese Art von Nachfolge-Quatsch sind die Sugababes nicht amerikanisch genug. Keisha und Mutya müssen erst mal eine würdige Nachfolgerin für Siobhan finden. Die Atomic-Kitten-Heidi, die die beiden bislang komplettierte, kann’s ja wohl nicht gewesen sein.

 

Body & brain Man kann die amerikanischen Püppchen ja noch so lieb haben – dann kommen diese Engländerinnen und machen die Welt auf Anhieb zu einem besseren Ort. Man nehme nur den fröhlich-shocking Text der neuen Sophie-Ellis-Baxtor-Single: »If you’re feeling kind of mixed-up, just remember it’s a mixed-up-world.« Das Lied richtet sich an die echt harten Kerle und findet somit die Formel für einen Geschlechterkampf, der gar nicht kämpfen will, sondern nur fröhlich sein in einer mixed-up-world. Auch die Sugababes haben in ihrem musikalischen und ästhetischen Konzept alle Widersprüche aufgelöst, ohne sie aufzulösen. Vor allem natürlich den gemeinsten, den zwischen body and brain. Denn die Trennung von Körper und Geist ist echt der allerletzte alte Hut – den dürfen wir uns von der Popkultur nicht mehr andrehen lassen.

 

Rock ’n’ Roll Weil sie das Gegenteil von einer average Girl-Group sind, haben sie natürlich einen großen Rock ’n’ Roll-Appeal. Allerdings haben sie nie etwas wirklich trashiges, total Experimentelles gemacht. Denn das Gegenteil des Ausverkaufs soll ja schön sein. Deshalb ist das Rock ’n’ Rolligste an den Sugababes das Wahrhaftige in ihrer Ausstrahlung. Und am coolsten ist der Refrain des neuen Smash-Hits: »I’m sure you miss me like a hole in the head.« Das muß man erst mal bringen in einem Pop-Song.

 

Hitparade Das dritte Sugababes-Album ›Three‹ wurde im Oktober 2003 veröffentlicht und schaffte es bis auf Platz drei der UK-Charts. Das sagt alles über die magische Wirkung der Sugababes, die immerhin schon zwei Nummer 1 Hits hatten. Fehlt noch einer, damit alle guten Dinge drei bleiben.

 

Neue Musik: Sugababes, die etwas andere Mädchenband. Man kann’s schon gar nicht mehr hören, da stimmt es immer noch. Zwischen dem perfekten Teenage-Angst-Song ›Overload‹ und dem neuen Smash-Hit ›Hole In The Head‹ liegen drei Jahre und 30 tolle Songs, die auf einer alternativen Facette insistieren und trotzdem Pop sind. Fuck-you-Pop. Auch das neue Album ›Three‹ wieder: einfach eine Spur tiefer, menschlicher, liebevoller gemacht und dabei die üblichen Hysterien des R ’n’ B ein-, statt ausatmend und dadurch ausatmend. Bei den Sugababes kommt die Spannung, von der die anderen gecasteten Girlbands immer nur reden, auch wirklich rüber.

Xtina Aguilera

 

Feminismus/Humanismus In der kalten Welt, von der Xtina ständig singt, ist kein Platz für Humanismus. Deshalb hat sich Teufelchen Aguilera auch mit Engelchen Linda Perry zusammengetan, und die beiden haben die feministische Mainstream-Hymne des Jahrzehnts geschrieben – hier noch mal die Auszüge des Grammy-gekrönten Tracks: »Everyday is so wonderful, and suddenly it’s hard to breathe. Now and then I get insecure, from all the pain, I’m so ashamed … You are beautiful, no matter what they say, words can’t bring you down, oh no. You are beautiful in every single way … so don’t you bring me down, today.« Schön.

 

Madonna-Nachfolge oder Kelly Osbourne-Style? Also, wenn’s nur darum ginge, die schlechten Eigenschaften von Madonna (Fähnchen im Wind) mit denen von Kelly Osbourne (Naschkatze) zu verbinden, hätte sexy Xtina sicher die hübsche Nase vorn. Aber um die schlechten Eigenschaften geht’s ja nicht bei der Nachfolge.

 

Body & brain Macht sich Christina Aguilera in ihren übersexualisierten Videos nun zum Objekt – oder zum Subjekt? Ach, wer weiß das schon? Fest steht: Sie wollte mit dem umstrittenen ›Dirrty‹-Video die Besitz ergreifenden Machospielchen in HipHop-Videos umdrehen, weibliches Begehren in den Mittelpunkt stellen. Eine mächtige Geste der Ohnmacht, vielleicht. Peaches hat es jedenfalls abgelehnt, einen Song für sie zu schreiben. Vielleicht hat die Aguilera doch nicht genug body & brain?

 

Rock ’n’ Roll Doch doch, Christina Aguilera und der Rock ’n’ Roll, das geht schon. Nehmen wir nur mal ihren Auftritt in diesem Sommer: Über Nacht färbte sich die Wasserstoffblondine das Haupthaar schwarz und nahm, liebe Sünde, authentische zehn Pfund zu. Verkündete, ohne Scham, sie fühle sich mit ihren »weiblichen Formen« wohler als vorher, und löste den Trend zum bauchnabelfreien Bauch-Raus aus. Für richtige Erwachsene gibt es allerdings die Yeah Yeah Yeahs.

 

Hitparade ›Stripped‹ erreichte in den US-Charts »nur« die Top 5, und die Single-Auskopplungen hatten, bis auf ›Beautiful‹ auch nur mäßigen Erfolg auf den 20er bis 40er-Rängen der Billboard Hot 100. Weltweit konnte die LP mit 13 Millionen allerdings wieder an den Vorgänger anknüpfen. Gar nicht so übel, wenn man bedenkt, daß Xtina sich auf dieser CD sowieso nur selbst verwirklichen wollte.

 

Neue Musik Verweilen wir noch einen Moment bei Xtinas letztjährigem ›Stripped‹-Album: Es ist viel unkommerzieller als sein Ruf. ›Stripped‹ durchzuhören ist eine ziemliche, aber lohnenswerte Anstrengung.

Kylie Minogue

 

Feminismus/Humanismus Kylie darf natürlich keine Feministin sein. Sonst wäre sie auch nicht mehr glaubwürdig. Sehr zu ihrem Vorteil: Seit Kylie ihr brünettes Schwesterchen Danii in den Ring geschickt hat, haben wir es endgültig begriffen: Die blonden Frauen sind die schönsten. Wetten, daß Kylie ihrer Schwester immer ganz lieb zulächelt, wenn die sich mal wieder die Haare dunkel nachfärbt? Das ist sehr humanistisch von ihr.

 

Madonna-Nachfolge oder Kelly-Osbourne-Style? Hat die Nachfolge von Madonna wieder abgegeben, als ihr auffiel, daß man dafür herrschsüchtiger auftreten und sein Lächeln verkaufen muß. Trägt seitdem Madonna-T-Shirts. Ihr Lächeln würde Kylie aber auch für die Kelly-Osbourne-Nachfolge nicht verkaufen. Und am allerwenigsten würde Kylie Minogue ein Kelly-Osbourne-T-Shirt tragen, in dem sie so ausschaut wie Kelly Osbourne!

 

Body & brain Für so ein makelloses Äußeres läßt man sich doch gerne mal das Rückgrat brechen – um dann so geschmeidig auf dem Rücken zu tanzen wie Kylie im neuen, ultrasexy ›Slow‹-Video. Neulich gab sie sogar zu, daß ihr erfreulicher Anblick schon so manche Schönheitsoperation gesehen hat. Wo hat sie leider nicht verraten. Aber egal – es ist ja gut ausgegangen. Denn Kylie ist das Mädchen, das immer gewinnt. Sie mußte weder fünf Jahre auf ihre OPs sparen noch, wie so manche ihrer Fans aus der unteren Mittelschicht, über osteuropäische Grenzen zu unseriösen Pfuschdoktoren. Resultat: body language. Kylie spricht sie perfekt.

 

Rock ’n’ Roll Hat natürlich den Rock ’n’ Roll im Blut. Ließ sich von Michael Hutchence fesseln (privat) und von Nick Cave als Wasserleiche abtreiben (Video). Das würde sich Fred Durst niemals trauen (siehe das neue Limp-Bizkit-Video), Nick Cave auch nicht.

 

Hitparade Es war irgendwie eine gute Idee des neuen Jahrtausends, Kylie den Funk singen und bringen zu lassen. Ihre Definition von ›Fever‹ – mit dem Super-Smash-Hit ›I Just Can’t Get You Out Of My Head‹ – verkaufte sich wie geschnitten Brot mit Lachs. Und das im 14. Jahr ihrer Karriere. Jetzt steuert sie auf das verfluchte 17. zu. Und wir wissen immer noch nicht, was eigentlich aus der einstigen Hitfabrik Stock, Aitken, Waterman wurde.

 

Neue Musik Da gibt Kylie gerne mal Macht ab. Emilia Torrini, Songwriting-Koryphäe aus Island, zeichnete sich für einen Großteil der Tracks verantwortlich, unter anderem auch für die erste Single ›Slow‹. Wer dazu nicht tanzen kann, muß Radio hören. Oder Synchronschwimmerin werden.

Pink

 

Feminismus/Humanismus Pink hat es weit getrieben mit dem Spaß an der echten Selbstbestimmung. Sie läßt sich weder das Bier nach dem Konzert verbieten noch ihre Platten von männlichen Produzenten aufnehmen. Und weil das ganz schön böse ist, setzt sie auf ihrer Webseite eine Runde aus und wirbt in der »change the world«-Sektion für die Rechte von Pelztieren und Obdachlosen. Damit beweist Pink eindeutig, daß Feministinnen auch die besseren Humanistinnen sind.

 

Madonna-Nachfolge oder Kelly-Osbourne-Style? Ist schön genug für die Madonna- und würdig genug für die Kelly-Osbourne-Nachfolge. »Über die werden wir noch reden, wenn wir längst in Rente sind.« (so ein Leser neulich im Intro-Forum)

 

Body & brain Pink hat das perfekte Mediengesicht: volle Lippen, große Augen, freche Stupsnase. Da der liebe Gott so höchst spendabel war, als er sie erschaffen hat, darf/muß Pink drei Kilo mehr als mager drauf haben. Beruhigend, daß zumindest für Auserwählte wie Pink dieser Ausweg aus dem knallharten Selbstkasteiungsideal zur Verfügung steht. Damit keine neidisch wird, müssen die Casuals bei Pink besonders casual und C&A-gerecht sein. Fazit: So häßlich wie Pink haben wir uns Punk immer vorgestellt.

 

Rock ’n’ Roll Eine echte Rebellin gegen die Grenzen des Pop-Genres. Verwandelte sich von der einen auf die andere Single von einer Pop- in eine Rocksängerin. Das Teenie-Alltags-Video zu ›Don’t Let Me Get Me‹ handelte noch von dem Selbsthaß, den man entwickelt, wenn man sich an fremde Ideale anpaßt. Im ›Just Like A Pill‹-Video kroch sie dann wohlig selbstzerstört auf dem Boden herum und flehte düster-rockig um Heilung. Das nennt man dann wohl Rock ’n’ Roll.

 

Hitparade Das letzte Album ›Missundaztood‹ verkaufte mehr als 10 Millionen. weltweit, ein Überraschungserfolg aus berechenbarer Blues-Rock-Soul-Attitüde und unberechenbarer Erzählperspektive. Pinks Erfolgsrezept: Sie bringt alle zum Lachen mit ihrer Ich-hätte-mich-ja-so-gerne-an-eure-Spießer-Welt-angepasst-es-ist-mir-nur-leider-nicht-gelungen-Nummer. Ist ihr eben doch gelungen. Pink ist der weibliche Robbie Williams. Beinahe.

 

Neue Musik ›Trouble‹, die erste Single des neuen Albums mit Westernkulissen-Video, läuft bereits drall an. Denn Pink kommt so streitlustig angeritten wie dereinst Drew Barrymore in Jonathan Kaplans ›Bad Girls‹-Western. Nur eben allein. Und statt reitender Flintenweiber winkt am Schluß die reizende »Kinder«-Pink aus dem ›Family Portrait‹-Video. Aber diese Rubrik fragt ja nach »Neuer Musik«. Pinks Musik, nun gut, wieso überhaupt über die Musik reden? Die Videos sind raffiniert und spektakulär genug! Und die Lieder auf ›Try This‹ wie ein Leben auf dem Dancefloor, mit Billy Idol im einen und Billy Joel im anderen Ohr.

Britney Spears

 

Feminismus/Humanismus »Ich bin Feministin und arbeite mit den Neptunes zusammen«, schockte Brit die Welt – und ließ es auch geschehen, daß man ihr das Ganze nicht so ganz abkaufte. Hierzulande schon gar nicht. Denn so dumm, sich als Feministin zu bezeichnen, sind nur Promis mit einem IQ von Anke Engelke oder Charlotte Roche. Somit auch gleich noch die volle Humanismus-Punktzahl für Barbie-Girrrl Britney.

 

Madonna-Nachfolge oder Kelly-Osbourne-Style? Hat einfach nicht genug Männer geküsst, um die neue Madonna zu werden. Selbst wenn Fred Durst darunter war. Da hilft es jetzt auch nichts mehr, daß sie von Madonna höchstpersönlich geküßt wird. Leider ist Brit auch zu behütet aufgewachsen, um für die Kelly-Osbourne-Sache zu taugen. Da hilft nur eins: Sie muß die Nachfolge von Britney Spears antreten!

 

Body & brain Britney auf dem Cover des Rolling Stone: das ist eine bleiche Sonne im Winter, das ist der Po von JLo, die Lippen von Pink, die Haare von Frau Monroe. Oben ohne auch nicht ohne, nicht zu groß und nicht zu klein. Britney könnte damit wieder Werbung für Milch machen. So proper und gesund und munter kommt sie bestimmt ohne Grippe durch den Winter. Somit weiterhin Mamas liebste Schwiegertochter. Papas aber auch. Und Nahrung stärkt den Geist.

 

Rock ’n’ Roll Britney und der Rock ’n’ Roll, das ist eine süße Beziehung. So wie Morrissey und das Fleisch. Rock ’n’ Roll war Britney immer dann, wenn sie es am wenigsten sein wollte: z.B. im Video zu ›I’m Not A Girl, Not Yet A Woman‹. Als sie die weisen Zeilen sang: »I used to think, I had the answers to everything, but now I know, life doesn’t always go that way.« Da war die 18jährige Jungfrau-Spielerin frecher als ein alter Hippie. Dagegen war ihre saubere Lack-und-Leder-Version des Runaways-Klassikers ›I Love Rock ’n’ Roll‹ natürlich nur doofe 50er Jahre-Vorstadt-Hölle.

 

Hitparade Ihr drittes Album ›Britney‹ erreichte zwar ebenfalls Platz 1 in den Billboard Charts und zahlreichen anderen Ländern (u.a. Deutschland), wurde jedoch nicht mehr so häufig verkauft wie seine Vorgänger. Deshalb muß es für den aktuellen Smash-Hit ›In The Zone‹ jetzt richtig abgehen. Support your local indie label!

 

Neue Musik Nachdem Britney bei den MTV-Awards die weiße Braut des schwarz befrackten Bräutigams Madonna war, haben die Zungenküsserinnen im gemeinsamen Hit ›Me Against The Music‹ die Farben wieder getauscht. Diesmal bettelt Brit hochaufgeschlossen im Frack um Kontrollverlust. Am Ende wird nicht geküßt, sondern angedeutet. Wie sexy wird das noch? Nur sollte man nicht vergessen, daß es russische Mädchen waren, die mit dem Zungenkuß angefangen haben.

 

(Kerstin, INTRO, 2003)