
Nachruf von Kersty und Sandra
Er war der einzige Labelmacher, Denker, Autor, Mensch, Mann im dummen deutschen Musikgeschäft, der zu jeder Zeit eine – soziologische, menschliche, rebellische – Idee davon hatte, wie es jetzt mal wieder gehen müsste; die richtige Musik, die den Zeitgeist aufwühlt, nicht nur zu veröffentlichen, sondern auch als “Fremdes”, bewusst Anderes einzuschreiben.
Er war gerne “fremd im eigenen Land.” Ein antifaschistischer, antisexistischer, intellektueller Autor als Labelmacher. Der Ende der 70er den Faden von Dada wieder aufnahm und als Dank dafür als Vater von “Dadada” galt. Für uns beide war er auch wie ein Vater. Und er war der einzige Labelmacher im ganzen fucking grrrlmany der nicht im Traum auf die Idee gekommen wäre, unsere musikalischen Talente aufgrund von Geschlecht nicht zu erkennen oder zu unterstützen. Er war der einzige, der Parole Trixi bedingungslos von Anfang an auf seinem Label veröffentlicht hat. Und alles für uns getan hat, was geht! Und noch mehr! Er hat im schlimmsten anti-feministischen Backlash der 90er Jahre das Geld, was er für den Deal mit Blumfeld beim Major bekommen hat, in die radikalste Riot Grrrl Band investiert.
Und alles wegen dem “Igelsong”, wie er munter nicht müde wurde zu betonen, die andern wahnsinnigen Songs von Parole Trixi waren ihm fast zu kommerziell. Igel ging so: “dein schlechter Ruf eilt dir voraus, du kommst gar nicht mehr hinterher, egal was du auch tust, der Igel ist schon da im Heer und hinterhältig lauert er…”, und mit so viel “Dreck im Dorfversteck” kannte er sich aus. Immer wieder musste er sich verteidigen für seinen radikalen Lebensentwurf. Er lehnte auch später sehr erfolgreiche Indierock-Bands ab ( z.B. Tomte, Kettcar, die Sandra ihm vorspielte), weil ihre Musik nicht in seine gesellschaftliche Utopie passte.
Immer wenn ich an mich selbst glaube und nicht an das, was die unsolidarische Gesellschaft will dann denke ich an Alfreds Motto: ” eine eigene Gesellschaft mit eigener Moral.”
Dazu gehörte auch dass er den genauen Gegenentwurf von Parole Trixi, die Nachfolgeband The Doctorella (weil sie statt dem Albtraum den überlebensgroßen TRAUM verkörpern wollte) mit derselben Konsequenz unterstützte und auf Zick Zack Records rausbrachte. Wenn man mit ihm arbeitete, bekam man oft jeden Tag eine Mail oder einen Anruf: “So und so muss es jetzt gehen…” Er sprühte vor tollen, klugen Ideen, wie man die pop-feministische Band jetzt mal wieder nach vorne bringen könnte. Und auch wenn er den Erfolg im Sinn hatte, blieb er, radikal und poetisch, beim Thema der Kunst. Mit über 70 begriff er mehr von The Doctorella ( und den noch radikaleren Candelilla) als fast alle anderen. Mit Brockdorff Klang Labor hatte er auch noch eine weitere Band mit toller Gitarristin und Sängerin am Start. Von Katrin Achingers wegweisenden Kastrierte Philosophen in den 80ern ganz zu schweigen.
Aber das Beste: er schuf immer neue Kombinationen von Wort und Musik Wahnsinn und Wahrheit, Originalität und Neuanfang. Punk und Electro. Der Anrufbeantworter von Alfred Hilsberg war wahrscheinlich der einzige Ort, auf dem sich in den 90er Jahren eine liebeskranke Autorin im Zustand einer Psychose aussprechen konnte, ohne am nächsten Tag zu Stadtgespräch und Gespött zu werden. Stattdessen sagte er dann aufgeräumt zu Kersty: “Ist doch normal, dass man durchdreht, wenn man eine große Story für die Spex schreibt.”
Scham und Schuld erledigt, weiter ging`s im Text , so ist das in der eigenen Gesellschaft mit der eigenen Roman. äh Moral. Madness nur eine Episode. Und die Kunst macht weiter. Nur heute bleibt sie stehen.
Denn Alfred ist tot und es wird nie mehr einen Besseren geben! Unsere Gedanken sind bei seiner bezaubernden Lebensgefährtin, der Fotografin Sabine Schwabroh, die er glücklicherweise bis zuletzt an seiner Seite hatte.
R.I. Punk, Alfred!
