9 Fragen an Kitty Solaris

“Ich weiß nicht, ob ich für immer in Berlin bleibe!”

Kitty, am 24.8. wirst du bei ICH BRAUCHE EINE GENIE, Vol. 5, unserer Sommeredition, spielen!

Eins vornweg, wir lieben dich –  und sind große Fans von dir, deiner Musik und auch deinem Engagement für eine (weiblichere*) Musik-Szene, sei es als Chefin deines eigenen Labels „Solaris Empire“ oder als Veranstalterin der Lo-Fi-Lounge, die uns schon viele legendäre Abende und Konzerte im Schokoladen beschert hat!!

Jetzt unsere Fragen:

1 Der Titelsong deines kommenden Albums „Cold City“ handelt von der Love/Hate-Relatioship, die du – und da bist du sicherlich nicht die Einzige – zu Berlin hast. In deinem Info sagst du, es sei ein Stück, dass dir eingefallen ist als du auf der Warschauer Brücke, einem Hotspot von Berlin, entlangspaziert bist. Wir finden es sehr treffsicher, dass du darüber singst, dass man in Berlin auch viel und gut seine Zeit verschwenden kann. Berlin als die Stadt, die so total vielversprechend ist, aber nicht unbedingt hält, was sie verspricht….

Es gab bis in die 2000er hinein eine spezielle Stimmung mit viel kreativen Freiraum, die Mieten waren günstig. Das Leben war ein Versprechen von Freiheit, man konnte machen, was man wollte. Es gab unglaublich viele Underground Bars in allen möglichen Kellern und an allen möglichen Ecken. Jetzt ist alles natürlich viel teuer und mainstreamiger geworden. Eine Entwicklung, die viele Städte wie zum Beispiel auch Barcelona oder auch New York betrifft. Am Anfang gab es einen Hype, viele Kreative und Künstler strömten in die Stadt und dann verselbständigt sich das und der Zauber verblasst. Wenn man jetzt eine bezahlbare Wohnung sucht, ist das fast unmöglich. Allerdings gibt es immer noch viele tolle Orte, an denen ich auch noch nicht war. Viele junge internationale Musiker sind in Berlin und finden das immer noch ganz toll hier im Vergleich zu London oder New York, wo es noch mainstreamiger ist. Gerade vorgestern habe ich wieder Mal einen Ort gefunden, wo ich noch nie war. Das ist immer noch großartig an Berlin.

2 Du bist jemand, der selber total viel losmachen kann und auch in der Vergangenheit schon losgemacht hat, nicht nur als Musikerin. Du bist eine der wenigen Frauen* in diesem Land, die ein eigenes Indie-Label machen und setzt dich total für andere Musiker, auch für viele weibliche* Musiker ein. Da man damit kaum Geld verdienen kann ist es schon krass idealistisch und geil, dass du das trotzdem machst! Wie motivierst du dich immer weiterzumachen? Was kommt zurück, wenn schon viel zu wenig Geld zurück kommt?

Das Gute daran, ein eigenes Label zu haben, ist Unabhängigkeit. Ich kann quasi meine eigenen Platten raus bringen und machen, was ich will. Als Musiklabel Geld zu verdienen, ist in der Tat schwierig geworden, weil immer weniger CDs verkauft werden und die Downloads via Spotify etc. natürlich auch nicht so viel abwerfen. Ich achte darauf, dass ich keine Selbstausbeutung betreibe und versuche “Privat” und „Business“ zu trennen, obwohl das nicht immer ganz einfach ist. Labelarbeit ist ein Business, und der Aufwand an Zeit und Arbeit ist nicht zu unterschätzen, wir ihr ja vielleicht auch schon gemerkt habt. Das neue Ding, das viele Labels jetzt anbieten ist Labelservices, wo das Label quasi die Plattform für Vertrieb und Veröffentlichung als Dienstleistung anbietet. Ich denke, es würde Sinn machen, wenn es auch eine Förderung für Labels geben würde. Anscheinend ist bei vielen Musikern und auch bei offiziellen Stellen noch nicht angekommen, dass über CD und Download Verkäufe in der Regel zu wenig Einnahmen generiert werden. Es kann nicht von den Labels erwartet werden, aus Idealismus zu arbeiten.

3 Du vereinst total viele Gegensätze in deiner Musik: bei dir sind Folk und Disco eins, du spielst E- und Rhythmus-Gitarre, oft in einem, du bist ein total Super-Role-Model für andere Frauen, machst aber auch Musik mit Männern…Erzähl uns doch mal wie ein Song bei dir entsteht.

Ich schreibe die Songs immer noch zu Hause. Ich brauche auf jeden Fall Zeit, und Muse und Einsamkeit. Dann kann es sein, das mir was einfällt, für mich ist Musik wie eine Art Meditation. Manchmal fällt mir auch beim Fahrradfahren was ein. Ich mag Hooklines! Für die neue Platte bin ich mit meinem Schlagzeuger Steffen Schlosser ohne große Vorbereitung in´s Studio, wir haben Cold City live mit Schlagzeug, Gitarre und Gesang eingespielt, Dazu noch ein paar Overdubs mit Gitarre und Backingvocals, that´s it. Diesmal wollten wir ein Platte machen, die wie live klingt! Bei den Alben davor haben wir mehr mit elektronischen Beats „Silent Disco“und sogar House Rhythmen „We Stop The Dance“ gearbeitet.

‘4 In deinem aktuellen Video inszenierst du dich als „Tourist in your own town.“Wir finden, das ist eine sportliche Einstellung zum Leben in Berlin. Du bist ja auch irgendwann mal von woanders hier her gezogen. Glaubst du, dass du für immer hier wohnen wirst? In welchen anderen Städten kannst du dir vorstellen zu leben?

Ich weiß nicht, ob ich für immer hier bleibe. Schön ist, das ich einige Freunde in der Nähe habe, das ist toll.Gerade war ich in Italien, in Tarent. Ich liebe das Meer, den mediterranen Lifestyle, das Essen, entspanntere Menschen. Thessaloniki gefällt mir auch sehr und natürlich Lissabon. Vielleicht ziehe ich noch mal um. Letzte Woche war ich allerdings auch hier viel unterwegs und habe um die Ecke wieder so viel Neues gesehen. Durch Zufall bin ich in einer Improtheater Vorstellung im Rosenpark gelandet, da bin ich normalerweise nie. Das war toll! Manchmal sollte man vermutlich öfter “Tourist in my own town” spielen!

5 Darf man in deinem Schlafzimmer rauchen?

Never ever

6 Warum haben es deutsche Musikerinnen in Deutschland schwerer als z.B. schwedische oder englische Musikerinnen? Wollen die Leute den Aufstand, der vor ihrer eigenen Haustür stattfindet, nicht hören, weil er ihnen zu nahe geht? Andererseits spielst du auch viel im Ausland z.B. auf einem schwedischen Festival, wo es eine 50: 50 Quote gibt. Was können Musikerinnen, die in Deutschland struggeln, von der schwedischen Musikszene lernen?

Es gibt doch das Sprichwort “Der Prophet gilt nichts im eigenen Land”. Ich bin der Ansicht, dass die lokale Szene bei Festivals zu wenig gefördert wird.  Anscheinend sind die Acts, die woanders her kommen, besonders interessant….. Nichts gegen die Expad Szene, es gibt da supertolle Bands, zum Beispiel „Hawk“ oder „Last Days Of Elvis“,  aber oft gibt es bei Festivals  keine ausgewogene Mischung. Und klar, es ist ja schon lange Thema, das auf den Festivals in Deutschland die meisten Acts male Bands sind. Das Thema ist bekannt und ich verstehe nicht, warum es da nicht ein Quote gibt. Hier liegt man was das Thema Gleichberechtigung betrifft im Indiebereich hinter Skandinavien, USA und UK zurück.

7 Denkst du, dass der Kapitalismus überwunden werden sollte?

Tricky question! Hat der Kommunismus funktioniert? Ich denke, die soziale Marktwirtschaft wie damals in der BRD war ganz gut. Branchen wie Wohnungsmarkt, Wohnungsbau, Altenheime, etc. sollten nicht so sehr dem freien Markt überlassen werden, sondern verstärkt staatlich gefördert werden. Viele Menschen, darunter auch viele Künstler und Kreative befinden sich in einem Zustand permanenter finanzieller Unsicherheit, und das ist für so ein reiches Land wie Deutschland wirklich ein Armutszeugnis. Auch die Popmusik sollte mehr wie die Ernsthafte Musik supportet werden. Warum kommen so viele bekannte Musikerinnen wie Lykke Li, Robyn und Fever Ray aus Skandinavien und fungieren als Exportfaktor?

8 Was denkst du über das Konzept eines Grundeinkommens?

Fände ich gut! Aber ich habe gelesen, das es auch kritische Stimmen gibt! Es würde auf jeden Fall vieles einfacher machen, Ich kenne viele Künstler und Musiker, die im permanenten Prekariat leben. Dabei haben die Künstler und Musiker doch den Ruf der Stadt als creative City mit begründet. Kunst und Kultur sollten viel mehr gefördert würden, aber nicht mit Prestige Projekten sondern so, das es dem Einzelnen Künstler oder Musiker zu Gute kommt, und nicht, das wie so oft die Industrie oder immer dieselben Leute gefördert werden. Da wäre ein Grundeinkommen natürlich super.

9 Hälst du eine Quote von 50 % bei Rockfestivals für sinnvoll, da, wie wir beide wissen, es ja unfassbar viele tolle Musikerinnen gibt, die nie eine Chance kriegen, dort aufzutreten, weil viele Entscheider*innem im Musik-Geschäft in Deutschland (sich und) ihre Jungs für etwas Besseres halten?

Gute Idee! Schon mit 30% wäre viel getan!