10 Fragen an A_Thousand_Yellow_Daisies

“Rock`n`Roll ist ja wohl eindeutig das Beste, was ein Testosteronüberschuss jemals hervorgebracht hat!”

1) Annie, Dein hübscher Bandname „A_Thousand_Yellow_Daises“ (Musik gibt es hier zu hören)  hat uns zum Motto unserer Sommer-Edition  für ICH BRAUCHE EINE GENIE Vol 5 am 24.8. inspiriert. Der Name steht eigentlich für sich, aber wir haben noch vage in Erinnerung, dass du uns mal erzählt hast, er würde auf eine Folge von Gilmore Girls zurückgehen. Was genau ist denn da passiert und warum hast du dich für dein von dir sogenanntes „one fucking queer women“-Projekt für diesen Namen entschieden?

Das ist eigentlich eher zufällig entstanden. Ich bin ein großer Fan von Gilmore Girls und schaue es immer mal wieder an. In der Folge „ love, daisies and troubadours“ wird thematisiert, dass Musik uns ermöglicht, Gefühle auszudrücken, etwas, was uns oft schwerfällt oder dessen wir uns schämen. In einem Song wirken Musik und Wort zusammen, was den Worten mehr Kraft verleiht. In dieser Folge kommen auch die tausend gelben Margeriten vor. Ich fand, dass A Thousand Yellow Daisies gut klingt und es spielt mit Erwartungshaltungen, denn wer blumigen Mädchen-Pop erwartet, wird überrascht sein, das finde ich passend für ein Indie-Projekt.

2) Kannst du uns etwas zu deinem musikalischen Werdegang erzählen? Als du noch in Berlin gewohnt hast, haben wir dich nie ohne Gitarre getroffen, auch zu Treffen von politischen Gruppen bist du immer mit der Akustik-Gitarre gekommen. Diese Intensität hat uns beeindruckt. Unter uns: Bist du Gitarre-spiel-süchtig? Oder muss man einfach wahnsinnig viel üben, um so gut und inspiriert zu spielen wie du? Oder benutzt du sie als symbolisches Schutzschild gegen die Anfeindungen, die du als trans-Person bekommst?

Haha…Ich bekomme tatsächlich schlechte Laune, wenn ich über einen längeren Zeitraum keine Zeit zum Musik machen finde. Tatsächlich musste ich in der Gründungsphase von ATYD viel üben, da ich über 15 Jahre „nur“ gesungen habe und es einige Übung brauchte, zusätzlich noch Gitarre zu spielen. Aber es ging mir ja darum, etwas Eigenes zu haben, eine Musik, zu der ich nicht bloß einen Teil beigesteuert habe, sondern die ich ganz allein geschrieben habe. Nun, da ich ein Programm mit starken Songs habe, kann ich diese auch gemeinsam mit anderen Musiker_innen performen.

3)Du bist vom 90er Jahre Grunge und 60er Jahre Soul beeinflusst: ist die Gitarre aus deiner Sicht auch heute noch ein Mackerinstrument oder war sie das noch nie?(siehe frühe Songwriterinnen wie Joan Baez) Welche Reaktionen erlebst du als trans*female Gitarristin und Sängerin auf der Bühne

Rock‘n‘Roll ist ja wohl eindeutig das Beste, was ein Testosteronüberschuss jemals hervorgebracht hat. Nee, mal im Ernst: Ich finde es sehr problematisch, von einem Mackerinstrument zu sprechen. Es geht ja eher darum, dass Frauen* in der Rockmusik unterrepräsentiert sind. Im Grunge und Independent Bereich sieht das ja noch ganz gut aus, zumindest im britischen und US amerikanischen Raum. PJ Harvey, Sleater Kinney, Breeders, Hole…. und im Moment gibt es unglaublich viele gute weibliche Rockbands in den USA. Davon bekommt frau in Deutschland wenig mit, denn hier wird dann gleich die gesamte Musikrichtung als mackrig abgestempelt. Um festzustellen, dass das Blödsinn ist, muss Mensch sich bloß das „the woods“Album von Sleater Kinney anhören, oder die „Rid of me“ von PJ Harvey.

Allerdings hat frau es schwerer als die männliche Konkurrenz. Ich kenne ja beide Seiten und als Frau fühle ich mich oft weniger ernstgenommen. Davon lasse ich mich aber nicht entmutigen und mache stattdessen Hip Hop oder Elektro Pop, sondern ich mache einfach weiter die Musik, die aus meinem Herzen kommt.

4)Du bist gerade dabei eine Band zusammenzustellen, und hast auch schon einen 2. Gitarristen am Start, mit dem man dich auch live bei Ich Brauche Eine Genie sehen wird. Kannst du was dazu sagen?

Die Idee, eine Band zusammenzustellen existiert schon länger und ich habe immer mal wieder Aufrufe gestartet. Mit mäßigem Erfolg, bis sich Jorgo bei mir gemeldet hat. Wir haben menschlich wie musikalisch sofort eine gemeinsame Ebene gefunden und die Erfolge unserer ersten gemeinsamen Gigs bestätigen nochmal, wie gut das passt. Mal schauen, wie lange es dauert, bis Bass und Schlagzeug besetzt sind.

5) Eine unserer Standardfragen lautet: Glaubst du, dass Blumen weinen, wenn man sie pflückt? In deinem Fall würden wir die Frage umformulieren: Glaubst du, dass Gänseblümchen weinen, wenn man das „Er/Sie liebt mich Er/Sie liebt mich nicht – Spiel“ spielt?

Blumen gehören auf die Wiese, nicht in die Vase.

6) Du hast eine neue EP gemacht, die du auch bei „Genie“ vorstellst. Magst du etwas darüber erzählen? Zum Beispiel wovon die Stücke handeln?

Die Aufnahmen stehen noch bevor, vorraussichtlich wird die „sketches from afterlife“-EP im Herbst erscheinen. Sie enthält 2 neue songs, und einen äteren, den ich aber erst kürzlich überarbeitet habe. „Self Defense“ habe ich 2012 geschrieben, als ich in der Orga Gruppe des Slut Walk Berlin war. In dem Song geht es um sexuelle Belästigung bzw meinen Umgang damit. Die beiden neuen Songs sind eher passiert, als das ich sie bewußt geschrieben habe. Da wollte etwas raus, was ich in mich hineingefressen bzw verdrängt habe. Beide Songs handeln von der Leere, die ich fühle, seit ich vergewaltigt wurde. Und davon, wie wenig mir all die theoretische Auseinandersetzung mit diesem Thema geholfen hat. Inspiriert wurde ich von Sylvia Plath‘s Roman „The Bell Jar“, in der Protagonistin konnte ich mich selbst spiegeln. Auch Kerstin‘s Roman „An einem Tag für rote Schuhe“ hat mich sehr berührt und aufgewühlt. Danke dafür, es war der erste Schritt zur Besserung. Nach einem „Twin Peaks“-Marathon im nicht enden wollenden Winter 2018 habe ich an den ersten sonnigen Tagen in Berlin „Fire walk with me“ geschrieben. Oder von meinem Unterbewusstsein empfangen……

7) Wir haben uns schon oft darüber unterhalten, warum du deine Lyrics auf Englisch machst. Magst du unseren Leser*innen auch nochmal erzählen, warum sich das für dich als tragfähiger erwiesen hat?

Eigentlich ist das gar keine bewusste Entscheidung. Ich besitze an die 1000 Schallplatten und davon sind drei in deutscher Sprache, das ist ja schon mal sehr bezeichnend. Deutschsprachige Musik ist wohl nich grad mein Ding, während ich mich schon als 5 jährige für (afro-)amerikanische Stilrichtungen begeistert habe. Ich bin mit Elvis und Chuck Berry aufgewachsen, Eddie Vedder animierte mich zum Singen und PJ Harvey zeigte mir, wie ich mich musikalisch als Frau finden kann, ohne meine musikalische Vergangenheit zu vergessen. Und da ich mich musikalisch im US amerikanischen Independent bewege, erscheint es mir konsequent, auch in der amerikanischen Sprache, welche ich studiert habe, zu singen. Und, um mal ganz unsachlich zu sein, Soul auf deutsch klingt doof 😀

8) Sollte der Kapitalismus überwunden werden? Und was hälst du von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens?

Selbstverständlich sollte er das. Und zwar bald. Um zu verstehen, dass dieses System von Grund auf menschenverachtend, zerstörerisch und ungerecht ist, muss mensch ja nicht mal Marx gelesen haben. Ein bisschen gesunder Menschenverstand sollte dafür eigentlich genügen.

Ein BGE halte ich für einen guten Ansatz, denn das Einkommen der Menschen muss von der Erwerbsarbeit entkoppelt werden. Experten sprechen davon, dass schon bald aufgrund der Digitalisierung 50% der Jobs wegfallen werden und unsere Politiker_innen schwafeln von Vollbeschäftigung. Das finde ich mit am beängstigsten dieser Tage, die wirklich wichtigen Themen werden nicht diskutiert.

9)Wann hast du zum ersten Mal einen Song geschrieben, wo du dachtest, „Besser geht’s nicht“ und welcher war das?

Ashes to Ashes. Im Januar 2016. Ich saß in den Trümmern meiner letzten Beziehung, zwischen Heulkrämpfen und einem ziemlich unangenehmen Schriftverkehr mit meiner Ex, entstand dieser Song, der zentrale Song des „star crossed lovers…“ Album. Ich habe ihr die lyrics als email geschickt. „das ist das beste was du jemals geschrieben hast“ schrieb sie zurück.

10)Darf man in deinem Schlafzimmer rauchen?

Na klar!