13 Fragen an Prada Meinhoff

 “Der Kapitalismus scheint mir wie eine Schlinge, die sich immer weiter zuzieht!”

von Sandra und Kerstin

Sie sind zweifelsohne DIE  Berliner Band dieses Frühjahrs: Prada Meinhoff! Gerade waren sie mit Mia auf Tour , und am 16.6. spielen sie auch bei unserer Veranstaltungsreihe “Ich brauche eine Genie” in der Berghain-Kantine.

Vorher hat sich Rene Riewer aber noch die Zeit genommen und unsere 13 Fragen beantwortet. Ein interessantes Fazit für uns: sie sind von NineInchNails genauso beeinflusst wie von frühem deutschen HipHop. Wahrscheinlich klingen sie auch wegen dieser Mischung  so erfrischend und toll. Aber lest selber:

1  René Riewer, Ihr sagt in Interviews, dass ihr (nur)„gute Freunde“ seid. Klingt toll!  Aber stimmt es auch? 🙂

René: Klingt nicht nur toll – ist es auch!

2 Das Erste, was man bei euch wahrnimmt, ist der aufsehenerregende Bandname. Bei mir sorgte er für eine Mischung aus Schmunzeln und Stirnrunzeln, die euch bestimmt schon öfters begegnet ist.  Es ist aber auch zu verlockend, wie sich Prada auf Baader reimt… Muss man, wenn einem so ein catchy-genialer Name einfällt, den dann einfach verwenden, gegen alle Einwände zum Trotz? Oder bringt der Name nicht auch ziemlich genau all die Widersprüche auf den Punkt, in denen alle kritischen, gerechtigkeitssuchenden Menschen und Szene-Babys aus Berlin sich heute zwangsläufig befinden: einerseits übermäßig radikal eingestellt, andererseits auch marken- und konsumverliebt, und beides fast schon gegen unseren Willen – weil die Verhältnisse „halt so sind.“

In anderen Worten: sind wir nicht alle ein bisschen „Prada Meinhoff“? Auch wenn wir das selber gar nicht so besonders sympathisch finden? Und ums noch weiter zu drehen, dass „Baader“ durch „Prada“ ersetzt wurde, bringt das nicht auch auf den Punkt, dass heute die „coole“ Gewalt von den Marken ausgeht?

R: Anhand dieser Frage sehen wir, dass wir uns den richtigen Namen ausgesucht haben. Danke 🙂

3 Das Zweite, was uns bei euch aufgefallen ist: dass ihr beide aber total sympathische Typen seid… ihr kultiviert auch ein wenig eine Attitüde der Arroganz, wo man aber sofort merkt: so seid ihr ja gar nicht, sondern viel warmherziger, leidenschaftlicher, intelligenter, gutgelaunter… Auch weil ihr euch in  euren Songtexten in die Verhaltensweisen, die ihr kritisiert, (latent ) miteinbezieht („Am Ende sind wir alle  doch nur die, lieber nur so tun als ob….“, wie zum Beispiel in dem Song „Maske“.

R: Niemand ist perfekt. Es gibt Dinge, die man anstrebt, und welche die man einfach akzeptieren muss um irgendwie eine mit sich selbst zu vereinbarende Mitte zu finden. Ich glaube, das kennt jeder.

4 Soll der Kapitalismus überwunden werden? Was denkt ihr über die Idee eines Grundeinkommens?

R: Grundsätzlich glaube ich, dass das eine gute Idee ist. Wenn Menschen die Freiheit haben sich über ihre wahren Bedürfnisse und Talente bewusst zu werden, und wenn sie nicht von Wettbewerbsdruck und Angst vor Armut getrieben wären, könnten noch viel mehr tolle Ideen enstehen –  und vor allem auch in die Tat umgesetzt werden. Der Kapitalisms war vielleicht mal eine gute Idee. Heute scheint er mir wie eine Schlinge, die sich immer weiter zuzieht. Dass wir uns damit die Luft abschnüren wissen wir schon lange, aber wir laufen einfach weiter…

6 Ihr seid relative plötzlich mit einem Album voller starker und mitreißender Electro-Rock-Songs gestartet.  Wie habt ihr euch kennengelernt und wie entstehen eure Songs?

Wir haben uns im Sommer 2015 kennengelernt. Nach ein paar Monaten ausprobieren, war dann mit dem Song „Dreck“ die grobe Richtung klar. Wir arbeiten in meinem WG Zimmer in Kreuzberg. Manchmal entsteht erst ein Instrumental, manchmal erst der Text. Manchmal beides parallel, oder es geht los mit einem Titel. Es gibt da keine Formel. Sobald wir etwas finden was uns beide berührt und abholt, sind die Lieder in der Regel recht schnell fertig. Im Studio haben wir dann ein paar Kleinigkeiten hinzugefügt oder nochmal „schick“ aufgenomnen, aber der Großteil von dem was man auf dem Album hört, ist während dieser „WG-Sessions“ entstanden (mit viel Wein und Kippen…).

7 Welche musikalischen oder sonstigen Einflüsse (Bücher, Filme…) möchtet ihr nennen? Gerne auch einzeln, jede(r) für sich.

R: John Frusciante, Nine inch Nails, Fugazi, Paolo Coelho, Hesse, Star Wars, Donkey Kong

Chr: Yeah Yeah Yeahs, Die Goldenen Zitronen, Die Sterne, Brecht, Früher deutscher HipHop

8 Eure Videos kicken. Besonders beeindruckt hat uns das Video zu „Schluss“ und da natürlich die von heftigen Gefühlsausbrüchen geprägte Theaterszene, die mit einer Darstellung von Suizid endet. Wie kam es zu dem Video? Welche Idee steckt dahinter? Schluss mit Gefühlskälte und Selbstvernachlässigung?

R: Wir lieben den Song und das Video, bei dem der hervorragende Martin Waldmann Regie geführt hat, sehr,  und wir würden beides gerne für sich sprechen lassen – vor allem die exzellente Performance von Peter Trabner: Einfach großartig!

9 Das Spannende an Euren Texten, eurer Musik und eurem ganzen Auftreten ist, dass ihr auf starke Effekte setzt, und dann merkt man aber sofort, da ist mehr dahinter! Das ist keine bloße  Effektheischerei. Es ist immer berührend und wahr. Und die Melodien rocken. Wie kalkuliert sind eure Posen? Oder „passieren“ die einfach im künstlerischen Prozess, weil ihr authentisch seid?

R: Man orientiert sich zum einen an seinen eigenen Vorbildern und Idolen, aber der Großteil von Prada Meinhoff ist definitiv im künstlerischen Prozess entstanden und der hält weiter an. Wir haben ein paar Dreh und Angelpunkte in unserer Live- Performance, die irgendwann passiert sind und dann hat man es beibehalten, wenn es gut funktionert. Wir proben so gut wie nie. Jede Show ist das Produkt derer, die voraus gegangen sind. Aber genauso vertreten wir das Konzept „Kill your Darlings“ und schmeißen manchmal wieder alles um. Das musikalische Konzept ist ebenso ein Produkt der Limitierung, die unsere kleine Besetzungung mit sich bringt: Chrissi singt, ich spiele Bass und der Drumcomputer liefert den Puls.

10 Wann habt ihr zum ersten Mal einen Song geschrieben, wo ihr dachtet, „besser geht’s nicht“. Und welcher war das?

R: Wenn dieser Punkt gekommen ist, können wir aufhören Musik zu machen. 😀 Spass beiseite, aber ich glaube, dass es den meisten Künstlern ähnlich geht, wenn ich sage, dass es immer irgendwie besser geht, aber man sich irgendwann entschließen muss, fertig zu sein.

11 Darf man in euren Schlafzimmern rauchen?

R: Man muss sogar!

12 In welchen Cafés in Berlin kann man eurer Erfahrung nach am besten ungestört Tagebuch, Songzeilen oder Briefe an Ex-Lover schreiben?

R: Ich mag den Ufer-Pavillion bei mir um die Ecke. Das Filou oder Five Elephants, oder einfach den Görlitzer Park.

13 Verratet ihr uns Details aus euren Biographien? Wann seid ihr nach Berlin gekommen und warum? –  und wo habt ihr vorher gelebt?

R: Ich bin seit sechs Jahren in Berlin. Chrissi schon etwas länger. Sie war vorher in Hamburg und hat den Großteil ihrer Kindheit in Spanien gelebt. Ich war davor in Mannheim, wo ich vergeblich versucht habe Musik zu studieren, bis ich dann entschlossen hab nach Berlin zu gehen, um es einfach zu machen. Ursprünglich komme ich aus der Eifel aus einem kleinen Dorf, aber da kommt man mit Musik nicht sehr weit, es sei denn, man kann damit leben, bis ans Ende seiner Tage “Summer of ’69”  vor besoffenen Junggesellenvereinen zu spielen.

Foto PM: Christoph Neumann